Sumpffieber
Essen überein, daß es Paloma als erfahrener Kenner aussuchen sollte, jedoch in Begleitung Cañamels, der die Bezahlung selbst vorzunehmen wünschte in der Befürchtung, sonst betrogen zu werden. Aber etwas später, in dem glückseligen Zustande der Verdauung, dachte der Wirt mit Schrecken an den nächsten Tag. Bei Morgengrauen aufstehen ... aus dem warmen Bett im feuchten Nebel untertauchen ... den See durchqueren und dann zu Lande über Valencia nach Cabañal ... Und diese ganze Strecke noch einmal auf dem Heimwege! Cañamels aufgedunsener, durch den Mangel an Bewegung schlapp gewordener Körper erschauerte schon im voraus vor Entsetzen. Dieser Mann, der vormals einen großen Teil seines Lebens in der Welt umhergewandert war, hatte in dem Schlammboden Palmars so tief Wurzel geschlagen, daß ihm die Idee, einen ganzen Tag unterwegs sein zu müssen, Beklemmungen verursachte.
Der Hang nach Ruhe ließ ihn seine Dispositionen ändern.
»Ich bleibe hier, um die Taverne zu beaufsichtigen. Dafür fährt Neleta mit; es versteht doch niemand besser zu feilschen als die Frauen. Nachmittags kann euch Tonet im Hafen von Catarroja erwarten, um das Garn auf sein Boot zu laden.«
6.
N och stand die Sonne sehr hoch, als der Kubaner mit steifem Segel in den Kanal einlief, an dessen einem Ufer die ganze Flotte der von Paloma so gehaßten Fischer Catarrojas festgemacht war: schwarze Särge von verschiedener Größe, alle von wurmstichigem Holz. Neben kleinen, Schuhe genannten Booten, die ihre spitzen Enden aus dem Wasser reckten, versenkten die großen Lauten mit einer Tragfähigkeit von hundert Sack Reis ihre breiten Bäuche tief in das Grün der Schlingpflanzen, während ihre ungeglätteten, stumpfen Mäste sich wie ein kahler Wald am Himmel abhoben. Zwischen dieser Flotte und dem gegenüberliegenden Ufer blieb nur eineschmale Fahrtrinne, so daß der Bug der ein- und ausfahrenden Segelboote immer wieder mit den vertäuten Barken kollidierte.
Tonet machte sein Boot vor der Hafenschenke fest und sprang an Land, wo riesige Haufen von Reisstroh lagerten. Überall kratzten, gackerten und pickten Hühner, die diesem Anlegeplatz das Aussehen eines Geflügelhofes gaben. Am Ufer waren Schiffszimmerleute mit dem Bau von Barken beschäftigt; andere Boote aus gelbem, erst kürzlich gehobeltem Holz warteten auf den Teertopf des Kalfaterers. In der Tür der Taverne saßen zwei nähende Frauen. Weiter rückwärts stand unter einem Strohschuppen die Gemeindewage mit zwei Binsenkörben an Stelle der Schalen. Eine Frau wog dort die Aale und Schleie der heimkehrenden Fischer ab und warf von dem Fang eines jeden einen Aal in den neben ihr stehenden Korb – ein freiwilliger Tribut der Bevölkerung für das Fest ihres Schutzpatrons Sankt Peter. Knarrend entfernten sich einige reisbeladene Wagen in der Richtung nach den großen Mühlen.
Tonet, der nicht wußte, was er beginnen sollte, war schon im Begriff, die Taverne zu betreten, als er hörte, wie jemand ihn beim Namen rief. Gleichzeitig hob sich hinter einem der großen Strohhaufen winkend ein Arm, vor dem das Hühnervolk erschreckt Reißaus nahm.
Als der Kubaner der Stimme nachging, sah er in die gelblichen Augen seines Freundes Sangonera. Die Hände als Kissen im Nacken und die Brust entblößt, lag er langausgestreckt im Stroh; um das blasse, vom Alkohol zermürbte Gesicht summten gierige Fliegenschwärme, ohne daß der Ruhende auch nur eine Bewegung daran verschwendete, sie zu verscheuchen.
»Was machst du da?« fragte Tonet, erfreut, sich mit ihm die Zeit vertreiben zu können.
»Nichts! Ich warte, daß der Abend kommt und mich irgendein Bekannter einladet. Mittlerweile ruhe ich aus – die beste Beschäftigung für einen Mann! Mittags gaben mir ein paar brave Fuhrleute, die im Wirtshaus aßen, einige Bissen ab und ließen mich zum Dank für meine Schnurren auch an ihrem Weinkrug lutschen. Aber kaum waren sie fort, so setzte mich der Wirt, ein Grobian wie alle seinesgleichen, vor die Tür ...«
Wohlig rekelte er sich im Stroh.
»Ich sah dich von meinem Nest aus; aber diese Kule ist so bequem, daß ich nicht aufstehen konnte. Sag mal, sind wir noch Freunde? ... Dann lade mich zu einem Gläschen ein!«
Das zustimmende Nicken Tonets siegte über Sangoneras Faulheit, und er entschloß sich, sein Lager zu verlassen. Sie tranken ihren Wein in der Taverne und setzten sich dann auf einen Bretterstapel am Ufer.
»Was soll ich in Palmar anfangen?« beklagte sich der Stromer. »Cañamels
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