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Sumpffieber

Sumpffieber

Titel: Sumpffieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vicente Blasco Ibañez
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Mit zerrissenen Schuhen sind sie ins Valencianische gekommen, und nicht einmal ihr eigenes Geld verleihen sie. Zu Hause nehmen sie es zu vier und fünf Prozent auf, um es hier zu zwanzig auszuleihen. Feines Geschäft! Dazu schmuggeln sie noch Pferde über die Pyrenäen, die sie unseren Bauern auf Abzahlung verkaufen, doch so, daß die Käufer niemals endgültige Besitzer werden. So etwas ist Diebstahl, eines Christenmenschen unwürdige Räuberei!«
    Der alte Paloma, den es unausgesetzt wurmte, daß sein eigener Sohn sich in Schulden gestürzt hatte, um Land bebauen zu können, pflichtete ihm bei. »Ja, ja! Die kleinen Bauern sind nichts anderes als Sklaven! Die ganze Ernte geht an den Franzosen, der ihnen Geld geliehen hat, und an den Engländer, von dem sie Dünger auf Kredit nehmen. Nur um den Fremden die Tasche zu füllen, rackern sie sich ab. Und dabei gibt es genug Aale im See ...«
    In Wirklichkeit waren es fast ausschließlich Paloma und der Schankwirt, die sich über das Geschäft berieten, denn Neleta und Tonet saßen derweile hinter der Theke und betrachteten sich mit Augen, die zu ihrer harmlosen Plauderei wenig paßten. So war es nicht verwunderlich, daß die Wein oder Öl einkaufenden Kundinnen, während sie anscheinend stumpfsinnig zusahen, wie die letzten Tropfen aus dem Trichter in die Flasche liefen, die Ohren spitzten, um einige Brocken der Unterhaltung zu erlauschen.
    Auch der Großvater, den solche Vertraulichkeit beunruhigte, nahm sich Tonet vor. »Haben die Samaruca und andere böse Zungen recht, die von heimlichen Beziehungen zwischen dir und Neleta reden? Oho, Tonet – das würde unserem Geschäft übel bekommen!«
    Aber der Enkel brauste auf ... und dem Alten blieb nichts übrig als zu schweigen, obgleich seine Furcht, daß diese Freundschaft zu einem schlechten Ende führen möchte, nicht gewichen war.
    In dem engen Raum hinter dem Schanktisch glaubte sich Tonet an Neletas Seite im Paradies. Er tauschte mit ihr allerhand Kindheitserinnerungen aus; er erzählte ihr seine Erlebnisse in den fernen Ländern, und wenn sie schwiegen, fühlte er neben diesem Frauenkörper, dessen Wärme ihn durch die Kleider hindurch zu streicheln schien, jene Trunkenheit, wie er sie damals im nächtlichen Walde kennengelernt hatte. Blieb er zum Abendessen bei Cañamel, so holte er bisweilen eine Ziehharmonika – außer den Strohhüten seine einzige von Kuba mitgebrachte Habe –, spielte zum Entzücken der Gäste schmachtende Habaneras oder sang Guajiras, süße Verse, die vom Zephir, von Harfen und von Herzen zart wie Gujavas sprachen und deren weicher kubanischer Akzent Neleta betörte. Die Augen halb geschlossen, legte sie sich weit zurück, als wollte sie den schweren Druck auf ihrer Brust erleichtern.
    Am Tage nach solchen Serenaden folgten der schönen Wirtin Blicke Tonet überallhin, während er von Tisch zu Tisch gehend seine Freunde begrüßte.
    Der Kubaner erriet den Grund.
    »Du hast von mir geträumt, nicht wahr? ... Und ich von dir! Die ganze Nacht sah ich dich, so wirklich, daß ich die Hände ausstreckte, um dich zu fassen.« Nach diesem gegenseitigen Geständnis kehrte die Ruhe bei ihnen ein – eine Ahnung sagte ihnen, daß sie sich ungeachtet aller Hindernisse eines Tages angehören würden.
    Im Dorf durften sie an keinerlei Intimität denken, denn ganz Palmar überwachte sie tagsüber, und außerdem verließ der kränkliche Cañamel kaum das Haus. Gelegentlich pfiff er zwar, von einem Drang nach Tätigkeit erfaßt, seiner alten Hündin Centella und ruderte in einem kleinen Boot nach dem nächsten Röhricht, um Wasserhühner zu schießen. Doch bald kehrte er hustend zurück und ließ nicht nach, über die Feuchtigkeit zu stöhnen, bis ihm Neleta Kopf und Hals mit wollenen Tüchern umwickelte und heißen Tee eingab. Deutlich verrieten ihre Mienen dann die Geringschätzung für diesen Ehemann!
    Der Sommer ging zu Ende, und es war Zeit, sich ernsthaft mit den Vorbereitungen zum Fang zu befassen; bereits besserten die Inhaber der anderen Plätze vor ihren Hütten die großen Netze aus, die zum Absperren der Kanäle dienten. Der alte Paloma mahnte ungeduldig, die notwendigen großen Mengen Garn zu kaufen und im Knüpfen erfahrene Frauen anzustellen, da die aus früheren Geschäftsverbindungen Cañamels übriggebliebenen Netze für die Sequiota nicht ausreichten.
    Das beste Garn war das für die Hochseefischerei am Strande von Cabañal hergestellte, und so kam man eines Abends bei einem gemeinsamen

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