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Sumpffieber

Sumpffieber

Titel: Sumpffieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vicente Blasco Ibañez
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an Verkauf zu denken. Fing irgend jemand einen noch größeren, so bewahrte er diesen, wodurch der erste Fischer das Verfügungsrecht über den seinigen zurückerhielt. Auf diese Art war die Festkommission sicher, in jedem Jahr den stärksten Aal der Albufera zur Verlosung stellen zu können, deren Einnahmen zur Unkostendeckung mitverwandt wurden.
    Dieses Mal gebührte die Ehre, den größten Aal gefangen zu haben, dem alten Paloma. Ja, wenn man in der Sequiota fischte! ...
    »Ich war es, der ihn fing!« Und auf seinen dürren Armen hielt der Greis einen Riesenaal mit grünem Rücken und weißem Bauch hoch, dick wie die Wade eines Mannes.
    Das appetitliche Tier hatte zum Spiel der Hirtenflöte die Runde durch das Dorf zu machen, während die würdigsten Mitglieder der Fischereigenossenschaft, von Tür zu Tür gehend, die Lose verkauften.
    »Nimm! Arbeite ein einziges Mal in deinem Leben!« Damit legte Paloma den Aal auf Sangoneras Arme.
    Der Vagabund, stolz auf das ihm erwiesene Vertrauen, eröffnete den Zug, hinter sich Tamburin und Flöte. Und um dieses Trio tummelte sich begeistert die ganze Kinderwelt des Dorfes. Die Frauen drängten sich heran und versuchten, den Aal mit einer Art religiöser Scheu zu berühren, als wäre er eine Gottheit des Sees. Doch Sangonera wehrte ihnen:
    »Zurück! Zurück! Mit all dem Betasten muß er ja verfaulen!«
    Als er schließlich vor Cañamels Haus anlangte, glaubte er indes, die öffentliche Bewunderung genügend genossen zu haben. Ihn schmerzten die von Müßiggang schwächlichen Arme; auch fiel ihm ein, daß er selbst von diesem Aal nichts haben würde. So bettete er ihn in die Arme des größten Buben, der nur zu gern den Triumphzug fortsetzte, und betrat die Taverne. Nur wenige Gäste waren anwesend. Hinter dem Schanktisch stand Neleta im Gespräch mit ihrem Mann und dem Kubaner, das sich um die Feierlichkeiten des nächsten Tages drehte. Die Inhaber der besten Fischereiplätze bildeten nach altem Herkommen die Festkommission, in der Tonet und sein Sozius natürlich die erste Stelle einnahmen. Beide hatten sich schwarze Anzüge in Valencia machen lassen, um der feierlichen Messe – und zwar aufder vordersten Bank – beizuwohnen, und jetzt besprachen sie noch einmal die letzten Vorbereitungen. Die größte Barke hatte man zum Strand der Dehesa gesandt, von wo sie Myrtenzweige und Grün zum Ausschmücken der Plaza holen sollte, und in einer Ecke der Taverne lagerte eine Reihe großer Binsenkörbe mit Masclets, eisernen Petarden, die mit einem Höllenlärm explodieren.

 8.
    A m nächsten Morgen rollte dumpfer Kanonendonner über den See, als würde in Palmar eine Schlacht geliefert. Die Masclets taten ihre Schuldigkeit. Gleich darauf strömte alt und jung, die Brotstullen noch in der Hand, zum Kanal, um die Postbarke zu empfangen.
    Als erster entstieg ihr mit majestätischer Miene ein korpulenter, behäbiger Geistlicher, ein berühmter Kanzelredner aus Valencia, den die Festkommission ausersehen hatte, die Predigt zu Ehren des Jesuskindes zu halten und nebenbei auch die Tugenden der Fischer vom See zu erwähnen. An seinem Arm hing ein Beutel aus rotem Damast, der seinen Ornat barg, und Sangonera, im Diensteifer des einstigen Sakristans, beeilte sich, ihn auf seinen Buckel zu schwingen. Dann sprangen die Chorsänger an Land – Schlemmergesichter mit gekräuselten Haaren; nach ihnen die Orchestermitglieder, die ihre in grünen Futteralen steckenden Violinen und Flöten unter den Arm geklemmt hielten, und endlich die Soprane, junge Knaben mit bläulichen Ringen um die Augen, in deren Zügen sich eine frühreife Perversität offenbarte. Alle sprachen vom »all y pebre«, als hätten sie die Reise nur zu dem Zweck gemacht, Palmars berühmte Schüssel mit der pikanten Knoblauchsoße zu essen.
    Sie schlugen den Weg zum Dorf ein, ohne daß einer der Einheimischen sich ihretwegen vom Ufer wegrührte; denn jeder wollte die neben dem Mast liegenden sonderbaren Instrumente in Augenschein nehmen, mit denen sich ein paar kräftige Burschen jetzt beluden. Die Kesselpauken erregten viel Aufsehen, und das junge Volk diskutierte eifrig über den Gebrauch dieser »Pfannen«, die so sehr an die Bratpfannen zu Hause erinnerten. Die Kontrabässe jedoch wurden durch eine Ovation begrüßt, und bis zur Kirche folgten Neugierige den Trägern der »dicken Gitarren«.
    Um zehn Uhr begann die Messe. Plaza wie Kirche dufteten nach Myrten; der Boden war unter einem dichten Teppich von Grün

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