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Sumpffieber

Sumpffieber

Titel: Sumpffieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vicente Blasco Ibañez
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trugen neue Gürtel nebst roten oder schwarzen Mützen, die noch die Knicke und Falten des Ladens bewahrten. Sich das Schwatzen ihrer Frauen zunutze machend, schlüpften sie gewandt in die Taverne, wo Alkoholdunst und Tabakqualm einen dicken Schwaden bildeten, der nach grober Wolle und schmutzigen Hanfsandalen roch.
    Ein jeder lobte die Kapelle von Catarroja. »Die Fischer dort sind schlechte Kerle, aber ihre Musik muß man anerkennen. Nicht der König hört Besseres! ... Etwas Gutes gibt es doch noch für das arme Volk am See!« Und als draußen laute Rufe ankündeten, daß die Musikanten in Sicht waren, stürzte alles Hals über Kopf fort. Die Taverne blieb leer.
    Über dem Röhricht erschien der obere Teil eines großen Segels, etwas später an der Krümmung des Kanals die ganze Barke, was die Menge veranlaßte, angesichts der roten Hosen und weißen Federbüsche in ein stürmisches Geschrei auszubrechen. Getreu der Tradition pflegten die jungen Burschen miteinander um die große Trommel zu ringen. Ohne Zögern sprangen sie in diesen Kanal von flüssigem Eis, das ihnen bis zur Brust reichte – ein Anblick, der die Zähne der Zuschauer klappern ließ.
    »Oh, diese Bande!« zeterten die alten Frauen. »Eine Lungenentzündung werdet ihr euch holen!«
    Doch die Burschen wateten unentwegt bis zur Barke. Unter dem Lachen der Musikanten klammerten sie sich an den Rand und stießen einer den anderen aus der Nähe der Trommel, bis der Keckste mit solchem Ungestüm an ihr zerrte, daß sie fast im Wasser versank. Von seinen Kameraden beneidet, trug er das riesige Instrument auf der Schulter zum Ufer.
    Vor Cañamels Haus formierte sich die Kapelle. Sie stimmte ein Weilchen und setzte sich dann in Bewegung, während ihr die Menge in dichten Scharen folgte, voller Andacht ob dieser Begebenheit, auf die man ein Jahr gewartet hatte.
    Bei dem ersten schmetternden Ton zuckten alle zusammen. Ihr an das Schweigen des Sees gewöhntes Ohr empfand schmerzhaft das Brüllen dieser Instrumente, von dem die Lehmwände der Hütten erzitterten. Aber nach der ersten Überraschung lächelten Palmars Bewohner, geliebkost von einer Melodie, die zu ihnen kam wie die Stimme einer fernen Welt, wie das majestätische Echo eines geheimnisvollen, sich jenseits der Albufera abrollenden Schauspiels.
    Die Frauen wurden weich und hatten Lust zu weinen. Die Männer marschierten, ihre krummen Schultern reckend, mit kriegerischem Schritt, und junge Mädchen grüßten errötend ihre Verehrer mit einem verstohlenen Lächeln. Gleich einer Böe neuen Lebens brach die Musik über diese aus ihrer Lethargie erwachte Bevölkerung herein. Alle schrien, ohne zu wissen warum, und ließen das Jesuskind hochleben. Selbst die Alten zeigten sich flink und lustig wie die Kleinen, die mit Säbeln und Papp-Pferdchen die Eskorte des Kapellmeisters bildeten, dessen goldene Tressen ihnen den Atem nahmen.
    Immer wieder marschierte die Kapelle durch die einzige Straße Palmars, wand sich, um ihr Publikum zufriedenzustellen, zwischen den einzelstehenden Hütten durch, kam am Kanalufer heraus und nahm von neuem den Weg zur Dorfstraße, stets von der Einwohnerschaft gefolgt, die die schönsten Stellen des Marsches laut mitträllerte.
    Einmal mußte jedoch auch dieses musikalische Delirium ein Ende nehmen. Als die Musikanten schließlich auf der Plaza anhielten, dünkte es den Alkalden an der Zeit, sich mit ihrer Unterkunft zu befassen. Die Frauen machten sich die einzelnen je nach der Bedeutung ihrer Instrumente streitig, und der Mann mit der Riesentrommel bekam ein Quartier in der komfortabelsten Hütte. Doch genug jetzt mit dem Paradieren in den bunten Uniformen! ... Eiligst wickelten sich die Musikanten, auf die feuchte Kälte Palmars fluchend, in dicke wollene Decken.
    Mit dem Verschwinden der Kapelle lichtete sich jedoch keineswegs die Volksmenge auf der Plaza. In einer Ecke ertönte der Wirbel eines Tamburins, und ein wenig später präludierte eine Hirtenflöte mit einer langen Serie von phantastischen Tonleitern, wahren musikalischen Kapriolen. Alles applaudierte. Es war Dimoni, der berühmte Flötenspieler, der alle Weihnachten Palmar besuchte. Ein gar lustiger Bruder, durch seinen Durst nicht weniger bekannt als durch sein Talent.
    Tamburin und Flöte riefen zur Verlosung des dicksten Aals vom ganzen Jahr – eine uralte Gewohnheit, die jeder Fischer respektierte. Wer einen besonders großen Aal gefangen hatte, hob ihn in seinem Fischkasten auf, ohne auch nur einen Moment

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