Sumpffieber
Puderperücke als Fischerinnen verkleidet hätten, um bei Fackellicht eine Pavana [Pavana = Pfauentanz: Altspanischer, feierlicher Tanz.] zu tanzen. Nach den Kontertänzen kam der »u y el dos«, ein sehr animierter, von mitgesungenen Couplets begleiteter Tanz, bei dem die Mädchen sich gleich Kreiseln um sich selber drehten. Sah man dann zuweilen ein Paar Beine unter dem bauschigen Rad der Röcke, so entfesselte dies einen Sturm von Gelächter und neckischen Zurufen.
Gegen Mitternacht unterbrach die Kälte das Fest. Die Familien suchten ihre Hütten auf, aber die jungen Burschen, die während der drei Festtage nicht nüchtern wurden, trafen sich von neuem auf der Plaza, diesmal mit einer Flinte oder einem alten Karabiner auf der Schulter, gerade, als könnte man sich in einem Dörflein, wo jeder den anderen kannte, nicht ohne Waffe amüsieren.
Und nun wurden die Serenaden organisiert.
Die Sitte verlangte, daß man die ganze Nacht von Tür zu Tür ging, um zu Ehren aller Frauen von Palmar, ob jung, ob alt, zu singen – eine schwere Aufgabe, deren Bewältigung ihnen ein praller Weinschlauch und reichliche Flaschen Schnaps erleichterten. Einige jüngere Musikanten erklärten sich gutmütig bereit, Dimonis Hirtenflöte mit ihren Blechinstrumenten zu begleiten, und beim Flackern einer vom Ball übriggebliebenen dicken Kerze nahm der Zug seinen Weg in die dunkle, eisige Nacht.
Die ganze Jugend von Palmar marschierte dichtgedrängt hinter dem Flötenspieler und den Bläsern, die aus Scheu vor dem kalten Metall ihrer Trompeten die Hände in die Enden ihrer Umhänge hüllten. Sangonera schloß den Marsch. Ihm hatte man den Weinschlauch anvertraut, und sehr oft ließ er halten und füllte die Becher, damit man sich »erfrischte«.
Irgend jemand aus der Schar sang, vom Tamburin begleitet, zwei Stegreifverse, worauf ein anderer den Vierzeiler zu Ende führte. Meist waren die beiden letzten Verse die boshaftesten, und während Flöte und Trompeten das Ende des Couplets mit einem rauschenden Tusch begrüßten, brüllten die jungen Leute wie besessen und schossen eine Salve ab.
Nicht einmal der Teufel hätte in jener Nacht in Palmar schlafen können! ... Von ihrem Bett aus folgten die Frauen im Geiste dem Zuge, fuhren jedesmal zusammen, wenn die Schüsse krachten, und errieten aus den bissigen Anspielungen, vor welcher Tür die Serenadensänger standen.
Nach drei Stunden waren alle betrunken. Dimoni sah mit seinem schweren Kopf und geschlossenen Augen aus, als nieste er in seine Flöte, der nur noch ein unsicheres Wimmern entquoll, zitternd wie die Beine des Spielers; Sangonera improvisierte zusammenhanglose Couplets gegen die »Reichen« im Dorf.
Der Weinschlauch war fast leer, doch rechneten alle mit einer Notlandung bei Cañamel, wo sie sich von neuem zu verproviantieren gedachten.
Nahe bei der Taverne trafen sie Tonet, bis an die Augen in eine Mantagehüllt, unter der die Mündung seines Karabiners hervorschaute. Der Kubaner, der sich sehr wohl erinnerte, was er selbst früher in solchen Nächten getrieben hatte, fürchtete die losen Zungen dieser Sippschaft und glaubte, sie durch gütliches Zureden zur Mäßigung veranlassen zu können.
Vor Cañamels Taverne schien die ebenso müde wie betrunkene Bande zu neuem Leben zu erwachen, als dränge durch die Türritzen das Aroma der Weinfässer bis zu ihr hin.
Einer der Burschen stimmte ein Lied an, das den Wirt höchst respektvoll »Señor Don Paco« titulierte und ihn, »die Blüte der Freunde«, der Ergebenheit aller versicherte, wenn er den Weinschlauch füllen würde. Doch das dunkle Haus blieb schweigsam; kein Fenster klirrte, nicht das geringste Geräusch ließ sich drinnen hören.
Im zweiten Liedchen redete man den armen Cañamel schon mit du an, und die Stimme der Sänger zitterte in einer zornigen Gereiztheit, die eine Flut von Frechheiten verhieß.
Tonet wurde unruhig.
»Seid keine Schweine!« ermahnte er in väterlichem Ton.
Doch man befand sich gerade in der Stimmung, auf Ratschläge zu hören!
Das dritte Couplet, Neleta gewidmet, bedauerte, daß die »anziehendste Frau von Palmar« mit dem Filz von Cañamel verheiratet war, »der zu nichts taugte«. Und nun wurde die Serenade zu einem giftigen Erguß skandalöser Anspielungen. Man amüsierte sich köstlich, denn diese Couplets entsprachen so recht der Neigung der Dörfler, auf Kosten fremden Unglücks zu lachen. Wurde einem Fischer eine Reuse gestohlen, die einen Wert von wenigen Reales besaß, so
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