Sumpffieber
geben! Ruinieren wird uns deine Güte und deine Dankbarkeit gegen diese Palomas ...«
Mit kleinlichem Geiz berechnete er, was Tonet bei ihm verzehrte, und lamentierte über die Verschwendungssucht, mit der dieser seine Freunde einlud ... immer auf Kosten des Wirts. Sogar der verlauste Sangonera hockte wieder auf den Schemeln der Taverne, beschützt von dem Kubaner, der ihm die teuersten Schnäpse vorsetzte, um sich über die Ungereimtheiten des betrunkenen Ex-Sakristans zu amüsieren.
»Eines guten Tages wird er sich noch in meinem Bette einquartieren«, beklagte sich der Dicke bei seiner Neleta. Und der Ärmste sah nicht das kleine diabolische Lächeln, nicht den maliziösen Blick, mit dem sie seine Äußerung aufnahm.
Wurde es Tonet mal müde, den ganzen Tag an Neletas Seite zu sitzen, so griff er zu Cañamels Flinte und rief dessen Hündin. Die Flinte Onkel Pacos war die beste in Palmar – eine Jagdflinte, wie sie nur reiche Leute besitzen – und die Centella wegen ihrer Nase am ganzen See berühmt. Kein Wild konnte ihr entkommen! Wie eine Otter tauchte sie und apportierte die verwundeten Vögel aus sicheren Schlupfwinkeln, wenn auch das Röhricht noch so eng stehen mochte!
Für nichts auf der Welt wäre sie Cañamel feil gewesen; doch traurig mußte er wahrnehmen, daß seine Hündin Tonet, der mit ihr auf Jagd ging, mehr liebte als ihren in Schals und Wolldecken eingepackten Herrn am Feuer. Allmählich verbrauchte der Kubaner den ganzen Patronenvorrat, der eigentlich an die städtischen Jäger verkauft werden sollte. Niemand schoß so viel wie er. In den engen Wasserarmen, die sich durch die Röhrichtdickichte beimDorf schlängelten, knallte es beständig, und überall plätscherte Centella, begeistert von ihrer Arbeit.
Mit Siegermiene ließ Tonet bei der Rückkehr das in einen Regenbogen von Federn gehüllte Wildbret auf den Boden fallen.
»Onkel Paco, hier hast du was für deine Pfanne!« meinte er großmütig; denn schließlich gehörte die Flinte dem Wirt.
Als es ihm zweimal gelang, einen Flamingo zu schießen, diesen rot und weiß gefiederten Vogel mit den Stelzbeinen, dem langen Hals und einer gewissen Pose, durch die er dem Ibis Ägyptens ähnelt, bestand er darauf, daß Cañamel die Vögel in Valencia als Schmuck für sein Schlafzimmer ausstopfen ließ. ´ »Ein luxuriöser Schmuck, Onkel Paco! Für nichts und wieder nichts sind die Herren in der Stadt nicht so hinter ihm her!«
Der Schankwirt quittierte diese Geschenke mit einem Brummen, das keine ungetrübte Freude verriet.
»Wann läßt du endlich mal meine Flinte in Ruhe? Eiskalt muß es doch im Röhricht sein! ... Wenn du nichts davon spürst, warum hilfst du nachts nicht dem Großvater?«
Tonet lächelte herablassend.
»Neleta, ein Glas! ... Ist das nicht genug Arbeit, euch diesen Haufen Fleisch zu bringen?«
Und in einem Anfall fröhlicher Schamlosigkeit tätschelte er über den Schanktisch hinweg Neletas runde Backen.
Toni wußte weder von dem Treiben seines Sohnes, noch wollte er etwas davon wissen. In aller Frühe fuhr er fort, verzehrte sein Mittagessen – ein paar Sardinen und Maisbrot – mit Borda auf der Lagune, und kehrte er nachts heim, um die schmerzenden Glieder auf seinem elenden Lager auszustrecken, so verfolgte ihn bis in den Schlaf die Rechnung, wie viele Kähne voll Erde noch fehlen mochten, wieviel seine Gläubiger noch bekommen mußten, damit er Herr einiger Reisfelder würde, die er Scholle für Scholle mit seinem Schweiß geschaffen hatte. Seinen Vater, der die meisten Nächte in der Sequiota fischte, bekam er selten zu Gesicht, und Tonet klopfte erst spät, nach Schluß der Taverne, ungeduldig an die Tür, die Borda, erschöpft und schlaftrunken, ihrem Bruder öffnete.
So verfloß die Zeit bis zu Palmars großen Feierlichkeiten.
Am Tag vor dem Feste zu Ehren des Jesuskindes drängte sich nachmittags das ganze Dorf zwischen dem Kanal und der Hintertür von Cañamels Taverne.Man erwartete die Musikkapelle von Catarroja, den größten Reiz der Festtage; und diese Dörfler, die außer der Gitarre des Barbiers und Tonets Ziehharmonika das ganze Jahr hindurch keine Instrumente hörten, bebten vor Vergnügen beim Gedanken an das Schmettern der Trompeten und an das Dröhnen der großen Trommel. Niemand litt mehr unter den Unbilden der Witterung. Um mit ihren neuen Kleidern zu prunken, hatten die Frauen auf die wollenen Mantones verzichtet und zeigten in den kurzen Ärmeln vor Kälte blau angelaufene Arme. Die Männer
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