Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)
zum nächsten und, sich über ihn beugend, bestreicht seine Lippen mit Blut. Darauf senkt er zur Stirn herab seinen Mund und behaucht mit Bluthauch den Schläfer, wie er behaucht hatte Joseph mit blutigem Hauch.
Und so ging er um und beugte sich über alle, die schliefen.
Und allen von Dymas’ Leuten, die lagen und schliefen, bestrich er die Lippen mit Blut seines Bluts und behauchte die Stirn eines jeden mit dem Rauch seines Bluts. Und bevor er verschwand, war keiner, der wachte, nur Joseph erwacht.
Da schlief Joseph nicht mehr. Sondern lag in Angst und Zittern, weil er ahnte, was sie alle hatte erfaßt. Daß auch er wäre besudelt damit. Daß ihn dürsten würde und hungern danach. Denn nach Grausamkeit schmeckte, bis in die Mundwinkel hinein, die sich auftaten, das ihm Aufgeträufte.
Und mit der Spitze der Zunge fuhr Joseph an seiner Lippe entlang. Und sogleich schoß ihm Wut zu, und dürstete Blutdurst erhitzend die Glieder. Und er vergrub die Hände im Boden und hielt sich fest an den Wurzeln.
Da ahnte Joseph: Schon am Morgen ginge es um unter allen. Und die Hitze würde sich stärken im Kreis. Und bald wär’s beschlossen und rasch darauf ausgeführt. Denn es war längst beschlossen, über den Schläfern gestiftet vom Fremden, einem Engelsdämon, der umgegangen war unter ihnen und hatte sie alle mit blutiger Botschaft beträuft und behaucht.
Da hörte er einen von Dymas’ Leuten, der lag bereits wach hinter ihm. Geweckt, so dachte Joseph, vom Fremden wie ich.
Und der spielte auf einer Flöte drei Töne, die sich nicht zueinander finden wollten, nur flohen her voreinander, hastig geblasen. Da war’s Joseph, als höre er am Rande der Töne etwas wie Menschenschrei, der um die Töne her wuchs, abgerissen nur immer vom Schrei, der wuchs um den nächsten.
Und Joseph sah hin, daß, der erwacht war, blies auf knöcherner Flöte, die war aus Menschenknochen geschnitzt. Und hörte hin, dass der Mißton Schrei war, als spräche der Knochen vom Verbrechen immer des Schnitzers, der aufgewacht war, auf Menschen zu spielen. Und als Joseph hörte den Mißton, dessen Schreie flohen her voreinander, wollte er ausweichen um sein Leben.
Bei sich aber dachte er: Zwingen muß ich sie, mich in Fesseln zu legen. Damit mir die Hände gebunden sind, wenn ausbricht der Durst nach dem Blut.
Joseph fürchtete aber, daß, was immer er anstellte, um in Fesseln gelegt zu werden von ihnen, Jesus zum Anlaß nähme, ihn zu töten.
Da lag Joseph angstgebannt lange und wußte nicht, wie er’s anstellen sollte, sich zu retten vor dem Kommenden, das beschlossen war.
Als aber graute der Morgen, die ersten erwachten, sich zu den Tönen der Flöte erhoben vom Lager, stand Joseph auf, griff flink das Messer des nächsten und lief hin und ritzte die Säcke und Schläuche auf, die bei den Packeseln lagen.
So daß ausflossen Trank und Nahrung.
Und man sah ihm noch mundoffen zu, als er wie ein Verrückter auch begann, zu zertrümmern die Krüge, sie aufhob und am Boden zerschmetterte.
Da ergriffen ihn welche.
Und Joseph sah herbeieilen Jesus.
Von vorn auf ihn zu rannte Jesus mit gezogenem Schwert und kam atemlos nah.
Da schlug einer den Stummen von hinten bewußtlos.
Kapitel 73. Die Unschuldigen
Als Joseph erwachte, stachen ihn Rauch und Brandgeruch. Bäuchlings fand er sich über ein Tragtier gebunden, an Händen und Füßen gefesselt.
Das Tier, auf dem er lag, stand mit anderen Tragtieren gebunden an einen Baum nah beim Gehöft. Es war aber das Gehöft, das er am Abend zuvor vom Kamm des Hügels aus liegen gesehen.
Und als Joseph sah, wie die Rotte verfuhr – denn kaum zwanzig Schritte vom Baum entfernt sah er sie hasten übers Gehöft Schreienden hinterher, sah sie Fliehende durchrennen mit dem Schwert –, da dürstete es Joseph: unter ihnen zu sein.
Denn mit Dymas, Gemas und den anderen hungerte es ihn zu rasen, zu rauben, zu morden, zu spießen und hängen.
Und er reckte wutrot den Kopf von der Flanke des Lasttiers und schrie stimmlose Grimassen, als könnten die Vorbeihastenden hören den Stummen, sein ›Schneidet mich los!‹ und sein ›Laßt mich hinzu!‹.
Denn der Stumme gierte hinüber, flehte an, wen immer er rauben sah, wen immer durchspießen flüchtige Bauern. Und er zerriß sich die Ecken des Munds, der stumm schrie:
›Holt mich, daß ich’s euch zeige!‹
Und wenn Joseph die Räuber aus dem Haus zerren sah Männer am Fuß, Frauen am Schopf, schrie jammernd sein Mund:
›Laßt’s mich machen, her mit
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