Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)
Worte, und ihm schien: sollte sie hören. Denn ihm war, als spräche Jesus vom Opfermesser, das Joseph in der Hand gehalten, als er den Sohn zum letzten Mal sah. Ja, als reichten die Worte seines Anschuldigers noch weiter zurück, Jahre hinab, bis in den Garten des Römers. Denn als habe zugesehen sein Widersacher zur Stunde selbst, habe herabgeblickt aus der Krone des Baums noch, darunter Joseph dem Aufseher schlug durch die Kehle, so klangen die Worte Jesu in Josephs Ohr.
Joseph aber, gefesselt, suchte näher zu rücken ans Stück, das Gemas fallen gelassen. Und ohne Gebrauch der Hände, die man ihm rückengebunden, stieß er und rückte er, mit Nase und Wange, ins Eck sich den Bissen.
Und er nagte mit den Zähnen daran wie ein Hund.
Da kam Jesus zu ihm, kam allein.
Und als Jesus ihn kauen sah, beugte er sich herab und sprach:
›Verdient hast du nichts. Hast dir die Hände nicht blutig gemacht. Frißt faul, Unschuldslamm, was andere geschlachtet. Schlimmer noch: du bist im Glauben, gefangen entkommen zu sein. Zu liegen in Unschuld gefesselt.
Du meinst, du hättest nur angesehn, was andere ausgeführt, nur zugesehen von Ferne. Nicht aber selbst eingerissen die Leiber, nicht selbst auslaufen lassen, wodurch wir gewatet.
Ich aber sage dir, Stummer, und versichere dir: Einer hat deine stummen Schreie gehört und zählt sie dazu. Mehr noch.
Denn hättest du dein Leben heute morgen nicht zu retten gesucht, hättest nicht eingerissen die Säcke und Beutel und zerschlagen unsere Krüge, so wäre kein Hunger, kein Gedanke an Durst uns gekommen. Und niemand hätte gesprochen: Woher nehmen wir’s uns?
Sondern wir hätten’s gehabt, hätten es bei uns getragen in vollen Säcken, in Beuteln und festen Krügen, randvoll, und wären friedlich vorbeigezogen an jenem Gehöft. Und du – hättest das Leben der Unschuldigen gerettet.
Weil du aber selbst unschuldig bleiben wolltest und andere listig zwangst, dich zu binden, um ja nicht schuldig zu werden, gib dir jetzt alle Schuld!
Denn „unschuldig“ gebunden, hast du aufgerissen den Anfang, den ersten Funken geworfen, hineingeblasen und aufgebläht uns Flammenhunger und stechenden Durst. Du hast, sage ich dir, jeden der Stiche gelenkt, die fielen vor Bethlehem, jedes Schwert geführt, das zustach und trank, das zustach und fraß. Denn in deinem Namen wurde vergossen.
Du aber dünkst dich immer noch schuldlos!
Jetzt willst du ihn ausspucken, den Bissen? Ist dir im Halse steckengeblieben, den er dir hingeworfen? Schmeckt dir nicht mehr? Wärst du daran erstickt, ich hätte dir deine Schuld vergeben.‹
So sprach Jesus zu Joseph.
Dann ging er und setzte sich zu Gemas hinüber, der saß mit anderen.
Im Winkel aber, wo Joseph lag, waren ihm ihre Stimmen hörbar, als säßen sie wenig über ihm.
Da hörte Joseph reden den Jesus:
›Nun blickt nicht so sauer. Gebt zu, die Böcke schmecken besonders gut. Genau was wir brauchen, nach solcher Strapaze. Rast und Ruhe. Das erinnert mich an den Alten, der bei uns wohnte und unserer verwitweten Mutter ein Zugeld gab, daß wir nicht verhungerten. Da warst du wohl gerade geboren, mein Gemas. Dymas aber, der Vater, ließ sich viele Jahre schon nicht mehr blicken bei uns.‹
So sprach Jesus. Und Gemas, der Verdacht nahm, Jesus wolle die schwarze Stimmung der Männer nutzen, sich gegen Dymas zu wenden und anzuzweifeln den Mann, der sie führte, antwortete ihm vor den Männern und sagte:
›Gib acht, wie du redest. Immer nur klagst du an und spielst mit dem Feuer.‹
Jesus aber gab Gemas zur Antwort:
›Was willst du? Vom Alten rede ich nur, der wohnte bei uns. Von seinen herrlichen Böcken aus alten Tagen red ich doch nur. Denn er erzählte uns, den „verwaisten Junghelden“ – wie er uns Kinder nannte –, von seinem Vater und von dessen Vater wiederum und von seinem Urgroßvater. Denn ihm und den Seinen war der Vater jeweils geblieben. Und so trug sich die Geschichte von jenen Böcken weiter hinauf bis zu ihm und zu uns.‹
Da rief einer dazwischen mit vollem Maul: ›Von welchen Böcken denn?‹
Und Jesus fuhr fort:
›Die Vorfahren jenes Alten aber lebten in der Nähe eines Dorfes – wo, weiß ich nicht mehr, es war wohl im Süden. Und sie hielten den Brauch, alljährlich am Tag der Versöhnung, einen Sündenbock aus dem Dorf zu treiben, hinaus in die Wüste. Ein zweiter war als Schlachtopfer bestimmt und den ließen sie nicht.
Der andere Sündenbock aber wurde, wie er uns erzählte, bei den Hörnern mit einem
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