Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)
mir!‹
Und winselnd sprach seine stumme Grimasse: ›Nehmt mich doch mit!‹, als er sah welche, die nicht schonen wollten der Kinder.
Aber es beachtete im Blutrausch keiner den Stummen, sah niemand sein Drängen, sein Betteln und Flehen, loszubinden und loszulassen den Wütendsten unter ihnen. Denn als die Flammen Haus und Hof fraßen, wandte keiner im Rausch noch den Kopf.
Joseph aber rüttelte wilder nur an den Fesseln, daß sie sich tiefer rissen in seine Gelenke. Und aufgeweicht drang die Fessel durch seine Linke hinab bis zum Knochen.
Er aber fühlte nicht Blutfluß noch Schmerz. Denn es war die Schärfe der Grausamkeiten, die Joseph gewillt war zu tun: Die saß ihm im Knochen. Und schnitt tief nur, immer tiefer, ihm zu sprengen die Fessel.
Schließlich brüllt Joseph stumm geifernd zur Rotte, die Mundwinkel platzten ihm auf:
›Vors Messer! Ich stoß sie euch durch.‹
Da verschloß windgestoßener Rauch ihm die Sicht. Noch aber vor Gier hielt er geöffnet die Augen.
Er hört: windhergestoßen Wassergeräusch.
So leise aber, daß er einzelne Tropfen heraushört, wo eben noch Brandlärm und Schrei zerrissen die Luft.
Und sieht windstill weilen den Rauch.
Da sieht er: teilt sich der Rauch.
Sieht: Sich nähern eine Frauengestalt.
Die tritt hin, bis vor sein Gesicht. Und mit Wasser bestreicht ihm die Lippen.
Und Joseph sieht, es ist Wasser aus ihrem Krug.
Und ihr Finger ist schwarz. Schwarz wie der Rest ihres Leibs, schwarz wie Kohle.
Und Joseph schließt seine Augen.
Da fühlt er die Kuppe des Fingers. Die ist warm wie sonnengewärmte Rinde des Brots.
Und die Frau führt ihn, der die Augen geschlossen hält. Und sie zieht ihn herbei an der Hand.
Und den Rauch teilend geht sie voran.
Und als sie hält wiederum, da bestreicht sie Joseph mit Wasser die Augen.
Mit Wasser, das fließt übers Lidrund bis in die Winkel der Augen.
Und als Joseph die Augen aufschlägt, senkt sich Abendlicht übers Land.
Da führt ihn die Frau in die Stadt Davids, ins goldene Tor Bethlehems führt sie voran.
Und hält, hält ein letztes Mal, unterm Bogen hält an.
Denn dort im Tor Bethlehem umarmt sie ihn. Als ihren Mann unterm Bogen des Tors umarmt sie den Joseph. Und beugt ihn zu sich herab.
Und küßt ihn im bogenen Eingang liebevoll lang: Küßt ihn als Braut.
Da fiel Regen.
Und Joseph erwachte, bäuchlings gebunden quer überm Packtier.
Und ein Reiter der Rotte zog’s hinter sich her.
Dichter Regen aber floß Joseph über die schmerzenden Hände und Füße. Und er wollte sich winden und vermochte es nicht. Denn als sie sahen, daß Joseph sich suchte loszureißen, hatte man den Stummen, trotz seiner Wunden, noch enger ans Tier geschnürt.
In den Lachen des hufzertretenen schlammigen Pfads aber sah Joseph schwimmen die Asche des Brands, die der Regen von ihnen wusch.
Und sah in Pfützen sich sammeln das Blut der Unschuldigen, das abfloß von der Reihe der Reiter, die hatten sich damit besudelt.
Und auch von Joseph troff Blut noch. Denn wo er sich gerissen hatte, eins mit dem mordenden Haufen zu sein, troff’s an den Fesseln und fiel ununterscheidbar von seinen Händen ins Blut der andern hinab.
Kapitel 74. Der Sündenbock
Hinter Bethlehem ließ Dymas die Bande ostwärts reiten, zu nächtigen in der Wüste Jeruel.
Und erst am Abend, als der Regen sich legte, stiegen sie ab.
Da sie aber verteilten den Raub, erkannten sie, daß das meiste, was sie an Gütern, an Kleidern und an Gerät sich aufgeladen und fortgeschleppt hatten, von Feuer und Wasser verdorben war, die Kleider aber versengt, schäbig oder zerrissen.
Und sie beschuldigten einander, von den Bauern versteckte Schätze, die sie angeblich gesehen, zwischen den Leichen oder in brennenden Trümmern liegengelassen zu haben.
Und Dymas sah, daß Mürbe und Mutlosigkeit fiel über alle, als erwache die Bande aus einem Rausch. Er schwieg aber still, obwohl er die Männer ihm grollen hörte.
Da rief Jesus sie auf, zu schlachten zwei Böcke von den Tieren, die man den Bauern geraubt. Und sie entzündeten Feuer und schlachteten und brieten die Böcke.
Als aber Jesus sah, daß Gemas hinging, auch dem gefesselten Joseph davon zu essen zu geben, kam er herbei und sprach:
›Paß auf, wen du fütterst! Verschlingen will er uns alle. Ein Raubtier, der da. Gib ihm ein Messer, und er drischt’s durch die Kehle dir.‹
Da war Gemas zögerlich geworden und warf zu Boden, was er dem Stummen gebracht, und wandte sich ab.
Joseph aber hatte gehört Jesu
Weitere Kostenlose Bücher