Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Titel: Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Roth
Vom Netzwerk:
blutroten Wollfaden umwunden und aus dem Dorfe hinausgetrieben.
    Nun erklärte der Alte uns, wie seine Vorfahren es hielten: Denn am Tag selbst lagen sie auf der Lauer, unweit des Dorfes. Und folgten dem Tier und den beiden, die’s trieben hinaus. Und sie wußten, die werden das Tier stürzen von einem Felsen, vorbestimmt, in den Abgrund hinab einer Schlucht. Unten aber warteten schon welche der Seinen, versteckt, daß man herabstürze den Bock. Denen halfen die andern wenig später und warfen Seile hinab, das Erschlagene wieder heraufzuschaffen.
    Kein Fleisch aber habe ihnen je so geschmeckt, sei so sättigend gewesen, so stärkend-versöhnend wie das Fleisch des alljährlichen Sündenbocks, den sie sich schnappten.
    Denn die Sünden der andern, erzählte der Alte uns, seien besonders nahrhaft und hielten lang vor.‹
    So sprach Jesus zu Gemas und anderen.
    Joseph aber, der hörte, wie sie lachten darüber beim Essen der Böcke, dachte und sprach im Innern zu Gott:
    ›Und wessen Sünde ist so groß, daß sie durch den Tod des Sohnes gesühnt werden müßte? Stumm hast DU mich gemacht – wie ich ihn, den Aufseher, stumm geschlagen. Aber hast DU mein Leben gerettet, wie ich das des Sklaven gerettet, als ich ihn losschnitt?
    Vielmehr hältst DU mich angebunden unter Sündern und machst mich zu ihrem Sklaven. Und DU läßt mich bestreichen vom Engel mit Blut, dann aber führen von Frauenhand bis unters Tor.
    DU verfährst mit mir, wie Du willst.
    Wo ist da Gerechtigkeit, daß ich’s verstünde?‹
    So sprach Joseph im Innern bei sich und lauschte, daß er Antwort vernehme.
    Es drangen aber die Stimmen der anderen wieder zu ihm, die saßen beisammen.
    Und Joseph hörte sprechen den Jesus:
    ›Versteht einer von euch, warum Dymas, mein Vater, uns unentwegt weitertreibt? Und ziellos umher, wie mir scheint. Wohin soll es denn gehen? frage ich mich. Längst hätten wir wenden sollen, zurück nach Samarien.‹
    Da sprach Gemas:
    ›Ich vermute, es geht in den Graben. Von dort aber wohl hinauf, den Jordan entlang, Mitternacht zu.‹
    Und weiter ließ Jesus sich hören:
    ›Reiten läßt Dymas, als säßen uns noch immer Verfolger im Nacken. Unsere Männer aber brauchen Ruhe und Rast, ein paar Tage, wieder zu Kräften zu kommen.‹
    ›Dann geh doch und rede mit ihm‹, sagte Gemas. ›Von mir läßt er sich nicht umstimmen.‹
    Da sprach Jesus:
    ›Immer eigenartiger wird unser Vater, scheint mir. Unverständlich ist mir zum Beispiel, warum wir den Stummen hinter uns herziehen. Der uns doch alle gefährdet und uns mutwillig Schaden zufügte, als er die Krüge zertrümmerte und die Schläuche und Säcke durchstach, ihr seid Zeugen.
    Denn zu nichts ist der nütze. Und der Esel, auf den wir ihn binden, könnte wahrhaft anderes tragen, einige von uns zu entlasten.
    Nein, in ständiger Gefahr schweben wir, wenn ich’s bedenke: Der Stumme könnte sich nochmals befreien. Und einigen von uns das Messer in die Kehle stoßen, bevor er entläuft.
    Wenn er aber entläuft, wird er uns andere hinterherhetzen. So wahr ich hier sitze, ich weiß nicht, warum Dymas nicht einschreitet. Warum unser Anführer uns nicht schützt vor solcher Gefahr.‹
    Nun murrten einige und stimmten Jesus zu und sagten, Joseph sei nur gefährliche Last, zu nichts nutze.
    Da sprach Gemas zu Jesus:
    ›Hast du nicht gehört, wie der Vater zu dir sprach vor einiger Zeit, er habe dir Glück gebracht, jener Stumme? Und uns Glück gebracht in der Nacht, als er zu uns stieß und ich hinausritt, entdeckte unsere Verfolger? Und gerade noch rechtzeitig, wie wir dann sahen. Du erinnerst dich nicht?‹
    Da antwortete Jesus:
    ›Das sehe ich anders. Denn daß uns nachgesetzt wurde, sah ich als Unglück. Und das Zeichen dafür war dieser Stumme.
    Unglück verfolgt uns seither – sonst hätten wir heute nacht reiche Beute verteilt. Statt dessen war’s, richtig besehen, kaum mehr als verkohltes Lumpenzeug – wie es dem Stummen dort klebt am Leib.
    Aber du, Gemas, bist nicht weniger unvernünftig, scheint mir. Bringst dem Stummen noch zu essen, der es sich nicht verdient.‹
    Da sprach Gemas zu Jesus – aber erst, als die anderen aufstanden, näher ans Feuer zu rücken, er sich allein glaubte mit ihm:
    ›Vor einiger Zeit, Bruder – ihr wart noch nicht lange bei uns, du und Jakobus, der Vater hatte euch holen lassen nach dem Tod eurer Mutter … – ‹
    Schon unterbrach ihn Jesus: ›Was erzählst du mir meine Geschichte?‹
    Da antwortet Gemas ihm:
    ›Du fragst, warum

Weitere Kostenlose Bücher