Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)
Pferd gebunden, sondern aufrecht sie führend, wohin nur er den Weg wußte: Jakobus, mein Bruder.
Denn Jakobus ritt mit unsern Verfolgern und führte herauf sie den Pfad.‹
So sprach Gemas. Darauf verwunderten sich alle, und schimpften und verdammten solchen Verräter.
Jesus aber schrie zwischen sie: ›Glaubt ihr dem Angsthasen dort, meinem Halbbruder Gemas?
Denn der war schon auf und davon, die eigene Haut zu retten, als ich vor Tagen noch einschlug auf viele, zu retten den einen, Jakobus, den Bruder.
Wo wart ihr da? Wo wart ihr alle?
Hätte Dymas, mein Vater – der ihn auch liegen sah, unseren Jakobus, dem Tod nahe liegen sah –, hätte er mich nicht aufgegriffen, Dymas, mein Vater, nicht mich gehoben aufs Pferd … Jakobus hätte jetzt keinen Verteidiger mehr.
Gemas aber, der sich nun schuldig fühlt, meinen Bruder und mich im Stich gelassen zu haben – wie er wohl jeden von euch hätte im Stich gelassen –, Gemas will ihn nun schuldig sehen. Ja, sah meinen Bruder als Schuldigen, sah ihn in tiefster Nacht als Anführer gar unsrer Verfolger und sah also – hört mir her! –, sah den als Verräter, den er selbst hatte verraten.‹
So sprach Jesus zu ihnen.
Gemas aber blieb ruhig und antwortete, neben Jakobus seien Fackelträger geritten, sein Gesicht habe er sicher erkannt.
Jesus aber sprach: ›Jetzt holt, der sich schuldig fühlt, ihn zurückgelassen zu haben, noch Lichter herbei, holt sie sich her aus der Nacht, steckt sie dem zur Begleitung auf, den er im Dunkeln erkannt haben will.
Jakobus aber – Gemas, ich versichere’s dir – hat dir längst vergeben die Flucht, hat allen vergeben die Schuld, als sie sich flüchten mußten, dem Hinterhalt zu entkommen, in den wir geraten waren. Sein Schwert zog die an, die hinter euch hergestürzt wären. Jakobus war’s doch, der einen jeden von euch hat gerettet!‹
Da sah Dymas, daß Jesu Rede Wirkung hatte bei ihnen und manche offen anzweifelten Gemas’ Bericht und Zwiestreit alle ergriff.
Und Dymas schritt ein und sagte, der Weg zum Versteck sei verraten worden, soviel sei doch gewiß. ›Von wem denn hätten die Verfolger gewußt, wo wir uns lagern?‹
Da aber lenkte auch Jesus ein, überraschend, und sprach: ›Daß Jakobus unter ihnen ritt, bezweifle ich weiterhin. Denn ich kenne meinen Bruder, kenne ihn besser als Gemas hier, der sein Gedächtnis will uns beschmutzen. Nur frage ich mich – wie sich Dymas, mein Vater, wohl gefragt haben muß – : Was, wenn sie Jakobus vor seinem Tod noch gefoltert hätten? Hätte der Bruder preisgegeben unser Versteck unter Folter? Fragt euch! Denn wer von uns hielte stand unter Folter? Und wär’s so gewesen, doppelt fühlt ich mich schuldig, wie jeder hier, den ich kenne, wie ihr alle: Jakobus, den Bruder, solcher Qual überlassen zu haben.‹
Da sah Dymas, ihr Anführer, daß Gemas’ Zeugnis nicht angenommen war bei den Leuten, und schwieg. Und er selbst trug Zweifel, ob Gemas richtig gesehen habe. Denn obschon er Gemas bevorzugte, liebte er seine drei Söhne und trug schwer daran – Jesus traf es genau –, den einen gerettet, Jakobus aber seinen Häschern überlassen zu haben.
Kapitel 71. Der Spion
Wenige Tage darauf geschah es, daß einer von Dymas’ Männern Joseph abzusteigen befahl und ihn hieß, nach einem Sack Getreide zu suchen, der auf dem Weg, den sie gekommen, von einem der Lasttiere gefallen war.
Da ging Joseph zurück ein Stück Wegs, bis er sah den Sack liegen am Wegrand.
Als er sich aber wandte, jenem zuzurufen, er habe gefunden, da war keiner der Bande zu sehen, Dymas und seine Leute hinter der nächsten Biegung des Weges verschwunden.
Langsam ging Joseph die Schritte hin auf den Sack zu, es mochten kaum mehr als dreißig gewesen sein.
Und es ging in ihm um, denn er dachte an Flucht. Erwägte aber auch, ob man ihn nicht – im Augenblick selbst – prüfe.
Denn hatte, der ihm den Auftrag gegeben, nicht kurz zuvor mit Gemas gesprochen? Und war Dymas nicht vorbeigeritten am Auftraggeber, ihm zuredend?
Joseph suchte sich zu erinnern. Und sah nichts mehr vor sich – nur den Sack, der mit jedem Schritt näher lag.
Und er dachte bei sich: Wenn jetzt einer zurückritte oder sähe nach mir von einem Versteck aus, so sähe er: wie ich zehn Schritte, neun noch, acht, sieben, sechs vor mir habe. Und der mich so sähe, würde nur sagen: Der Stumme ist säumig.
Und Joseph dachte bei sich: Sechs Schritte, fünf vielleicht sind es noch, vier, drei, zwei … –
Da hielt Joseph und
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