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Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Titel: Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Roth
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dort nur noch siebzig Schritte hinauf bis vor die steinerne Wand, die durchsetzt war von Gräbern.
    Und wir stiegen hinauf, bis ich zu stehen kam vor dem Grab Eleazars. Und ich ging nach rechts einige Schritte und deutete auf die Felswand, daraus sie brechen sollten das Grab meinem Herrn.
    Da fragte mich Gemas, der hörte, daß ich von meinem Herrn sprach:
    ›Wer ist denn dein Herr, für den wir’s aushauen sollen?‹
    Ich aber schwieg. Denn es war unachtsam gewesen von mir, zu verraten, es sei ›meinem Herrn‹.
    Und noch vor Ort sprach ich zu ihnen:
    ›Darum kümmert euch nicht. Das geht niemanden an. Arbeitet ihr gut, ihr werdet täglich bezahlt werden. Und keiner wird später fragen: Ach, diesen Denar da, sag mir, von wem hast du ihn? – Wem’s aber nicht paßt, der kann gehen.‹
    Und ich ließ sie, an den Gräbern vorbei, hinaufgehen, über den Garten hinaus.
    Und hieß sie abseits Feuer machen, denn es war kalt geworden zur Nacht, und aufschlagen ihr Zelt und auch mir eines bauen, auf der anderen Seite des Feuers.
    Und ich ging zu den Körben und verteilte an Nahrung vom Mitgebrachten.
    Kapitel 99. Das Maß
    Am Morgen darauf aber, noch vor Sonnenaufgang, weckte mich Brotgeruch.
    Da sah ich Joseph sitzen am Feuer, und er buk Fladen.
    Kurz darauf aber hörte ich einen Schrei und wußte nicht, wer es war, der geschrien voll Angst.
    Und als sich die andern gesellten zu Joseph, kam auch ich dazu und hörte den, dessen Namen ich nicht mehr erinnere, erzählen, wovon ihm geträumt in der Nacht.
    Und er war voller Angst darüber und sah, übers Feuer hin, immer wieder die anderen an, was es wohl bedeuten könne, daß ihm dieses geträumt. Und steckte sie an mit seiner Unruhe und Angst.
    Ihm hatte aber geträumt, er sehe an der Stelle, wo er tags zuvor am Fuße des Golgotha bemerkt hatte den überwachsenen Schädel, aufstehen einen Menschen.
    ›Der trat‹, sagte er, ›wankend aus dem Schatten des Ragefelsens hervor und fiel hin. Und war am ganzen Körper dunkel behaart wie ein Tier. Und schrie auf wie ein Tier. Und blutete aus der Seite, aus kaum verschlossener Wunde.
    Der Mensch stand aber nicht mehr auf, so geschwächt war er, sondern auf allen vieren schleppte er sich herauf zu den Gräbern.
    Und er hielt vor dem Felsen, der uns gestern wurde gezeigt von der Magd, im Auftrage ihres Herrn.
    Ich aber, der ich’s sah im Traum, stand über dem Felsen. Und ihr – denn ihr wart bei mir im Traum –, standet neben mir auf der Spitze des Grabfelsens. Und saht hinab alle, wie ich.
    Denn da hielt der Mensch, der heraufgekrochen war, vor dem Felsen, den die Magd uns gezeigt. Und kniend davor schlug er an.
    Er schlug aber an, daß es hallte im Felsen.
    Schlug an, als sei es ein Tor, daran er geschlagen.
    Schlug abermals an, als solle aufgemacht werden ihm.
    Schlug an, als sei’s ihm zu Unrecht verwehrt.
    Ja schlug an, ein fünftes Mal an, als sei ein Verbrechen an ihm begangen worden und er heraufgekrochen, zu fordern sein Recht.
    Denn Gerechtigkeit schlug er an in den Schlägen, daß es hallte im Stein.
    Wir aber alle hatten vernommen die Schläge und gespürt in den Knochen das Zittern des Steins, auf dessen Höhe wir standen und sahen hinab.
    Und mir fuhr schmerzend das Zittern des Steins in die Ferse und Wade, herauf bis ins Knie. Und eisig gerann dort das Blut in den Adern. Und mir stockte der Atem.
    Da endlich schüttelte Gemas mich an den Schultern, bis ich erwacht.‹
    So erzählte uns allen der vierte.
    Und als wir schwiegen – denn wir sahen noch vor uns den Traum, waren angesteckt, daß uns fror –, sprach er:
    ›Ich sage euch: Nichts Gutes kann das bedeuten. Gehen wir zurück! Sollen andere tun, wofür uns die Magd will lohnen. Bedenkt: Sie will uns nicht nennen den, der hier arbeiten läßt und uns entlohnt. Und wer ist es, der schrie und anschlug im Traum, als klage er an?‹
    Und so sprach weiter der vierte und warf alles zusammen und steckte sie an.
    Denn allein wollte er nicht handeln hin auf den Traum. Denn das ist das Schwerste: im eigenen Kasten zu halten, im Gefäß zu verschließen und zu bewahren einsam, allein: das im Traum Mitgeteilte. Dann aber Gegenrede zu zeugen dem Traum, das Gespräch im eigenen Felsen.
    Denn traumeingedenk zu handeln hinaus in die Welt, nicht immer heißt das: zu tun, was der Traum euch befiehlt.
    Sondern heißt: entsprechend zu handeln, zur Antwort zu finden und mutig oder zögernd-vorsichtig auszuführen, um wiederum hinzulauschen, was nachsagt der Traum, wenn er

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