Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)
ein Kohlenfeuer in der Nähe des Eingangs.
Und er selbst trug schon wenig später hinauf den ersten Tragkorb voll Schutt. Und schritt längs einer Schnur, die er sich hatte legen und befestigen lassen an Pflöcken hinauf.
Nicht aber zurück bis zu den Zelten stieg Joseph, sondern abseits sich ziehend hin zur Höhe über dem Grab, nur ein Stück hinter den Rand der Steinwand, an deren Fuß Dymas und Gemas begonnen hatten zu meißeln.
Und ich begleitete den Alten hinauf. Und als wir angelangt waren am letzten Pflock und Ende der Schnur überm Grab, sah ich heraufziehn im Strom die Wärme des Kohlenfeuers, das sie unten entfacht.
Und es schien, als zittere in der Ferne ein Teil der Stadtmauer, wo nämlich die Wärme am Grabfelsen heraufzog und die Stadtmauer durch sie hin sichtbar war.
Und ich sah hinüber, da zitterte, wohl zweihundert Schritte entfernt, der Turm Jerusalem in der wärmedurchzogenen Luft. Als machten ihn zittern die Stöße der Meißel, die wir hörten von unten her hallen.
An dem Ort nun ließ sich Joseph hinab in die Hocke. Und wand aus den Tragriemen die Arme. Und kippte das in der Rückentrage gehäufte Gestein auf die Höhe über dem Grab.
Ich aber war furchtsam, die Frage zu stellen, und mußte’s doch wissen, dem Auftrag meines Herrn gemäß. Und fragte ihn also, den Alten, als er die Trage abermals aufnahm und die Arme wand zurück in die Riemen:
›Wie lange nun, glaubst du, bis zu Ende kommt eure Arbeit, die ihr das Grabmal erstellt?‹
Da hob er auf ein Stück Schutt, als wiege er es und betaste es. Und hob auf eine kleine Scherbe am Boden und ritzte damit dreimal ein die Sichel des Mondes.
Und legte mir das Stück auf die Hand, daß ich’s sähe.
Und gleich darauf nahm er’s wieder aus meiner Hand und ritzte ein eine vierte Sichel, als könne er nicht sicher sein. Es sei, wie es zulasse der Stein.
Und mir war wohl dabei, daß er nicht sicher war.
Kapitel 100. Das Linnen
Da verließ ich die Arbeiter am Grab. Es war aber um die sechste Stunde, daß ich ging zum Turmteich hinab. Denn mit meinem Herrn war vereinbart, ich solle Phylakos dort Bericht erstatten für ihn.
Und Phylakos wartete schon, als ich eintraf. Da sagte ich ihm, er solle versichern unserem Herrn, die Arbeiter hätten aufgenommen die Arbeit. Es werde alles seinem Wunsch gemäß ausgeführt.
Phylakos aber fragte, ob er nicht zukünftig, statt am Teich mich zu treffen, hinaufsteigen solle zum Grab. Denn auch am Teich könne ich doch gesehen werden von Leuten, die entlangziehen die Straße aufs Gennattor zu.
Ich sagte ihm, er solle sich nicht sorgen, sah aber, daß er bekümmert war der Arbeiter wegen, mich nämlich mit ihnen allein zu wissen.
Da fragte ich ihn nach dem Befinden unseres Herrn. Phylakos berichtete, sein Zustand habe sich, schon am Abend nachdem ich das Haus verlassen hatte, verschlechtert.
Denn als Phylakos ihn tags darauf erinnerte, er werde sich treffen mit Neith am Teich, wie es vereinbart, Bericht von ihr zu erhalten, da habe mein Herr ihm weiteres Geld gegeben für mich und habe verlangt:
›Laß Neith mir kaufen vom Weber ein Grabtuch und aufbewahren bis zum Tag, da du sie rufst.‹
Da sah ich, daß mein Herr glaubte, er werde mich nicht wiedersehen.
Denn würde ich gerufen von Phylakos, es wär doch, das Grabtuch zu schaffen ins Haus.
Da sagte ich Phylakos, ich wolle das Tuch gleich besorgen. Denn ich warf mir selbst vor, eigenmächtig und blind sei mein Verlangen, dem Herrn zu verlängern den Willen zum Leben, indem ich hinzöge die Arbeit.
Und ich sprach zu mir selbst: ›Was flüstert‹ – denn es war manchmal wie ein Flüstern, so kam’s mir vor –, ›was flüstert dir, Neith, es sei in deiner Hand, was geschehen werde mit ihm, deinem Herrn? Als vermöchtest du nicht nur, Lebenszeit zu erbitten, sondern sie auch zu gewähren.‹
Und ich kehrte mit Phylakos um und ging in seiner Begleitung durchs Tor zurück in die Stadt, bei den Webern zu kaufen das Tuch, in das er gehüllt werden sollte.
Zwischen den Markthallen stehend aber trennten wir uns. Und Phylakos gab mir das Geld und ging zurück mit dem Bericht, den ich ihm gegeben.
Da suchte ich nach dem Tuch.
Und wieder kam mir beim Suchen zwischen den Ständen in den Sinn eine Stimme, die sprach, als werde mein Suchen nach dem Tuch herbeilocken seinen Tod, die Bezahlung des Gewobenen ihn aber sicher besiegeln.
Und doch wollte ich nicht mißbrauchen das Vertrauen, das mein Herr in mich setzte. Denn der hatte zu Phylakos
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