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Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Titel: Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Roth
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mein Herr kennt ihn nicht, diesen vierten. Denn er kannte nicht den, der herabsprang vom Felsen, und kannte auch nicht die drei, die schoben den Leichnam in den Felsen hinein. Wie spräche der Traum da vom Tod meines Herrn, der ihm stünde bevor?‹
    Da gestand mir mein Herr, daß er im Traum nicht wußte zu unterscheiden zwischen sich und dem Mann, der herabsprang vom Felsen. ›Denn im Traum‹, sagte mein Herr, ›schien mir: Ich war auch , der herabsprang zu Boden und weinte dort in der Hocke. Denn der war mir fremd und war zugleich vertrauter als alle, die ich kenne und je gekannt. Ich war aber im Traum ebenso der, den sie hoben ins Grab, den ich unterm Linnen erspäht, war der Tote. Und ich war’s, der weinte und zitterte am Leib, zu schaun, was mit mir geschah. Und ebenso war ich im Traum, wechselnd hin und herüber, in den Männern, den dreien, die schoben den Toten hinein, die zerrten am Tuch, die hielten die Sohlen, bis sie verschlossen mit Riegeln das Grab.
    Ich war all das, war in jedem von ihnen – und all das ein Zeichen.
    Denn einsehen muß ich, daß ich hier liege und zusehe dem eigenen Tod. Denn ich erkannte den Felsen, in den sie mich schoben.
    Er glich aber dem Felsen neben dem Grab Eleazars.
    Dort also, Neith, send ich dich hin. Denn du sollst mir den dreien vorausgehen und alles richten, bevor sie mich hintragen.‹
    So sprach mein Herr. Und hatte seinen Traum so gedeutet.
    All das aber trug ich mit mir, den Weg hinauf bis zum Markt. Eine Qual.
    Denn immer wieder suchte ich zu widerlegen seine Deutung des Traums, ihn anders zu lesen.
    Traf aber immer wieder nur den, der in allen war.
    Und mir schien, als trüge ich nicht nur aus, was mein Herr mir befohlen, sondern als bestimmte ich auch den Tag, an dem er verstürbe.
    Denn je fleißiger wären die Arbeiter, je erfahrener die Steinmetze, die ich auswählen würde, sie zu dingen zur Arbeit am Grab, desto schneller käme herbei der furchtbare Tag.
    Eingedenk war ich ja Eleazars Tod, wie der war gestorben, der Freund meines Herrn. Kaum war ihm gemeldet: ›Ausgeschachtet, vollendet ist, was du befohlen‹, fiel er tot vor den Seinen zu Boden.
    Da beschloß ich, als ich betrat am Morgen die Agora, um mir bei den Markthallen auszuwählen die Tagelöhner, weniger Arbeiter anzuheuern als mein Herr mir befohlen.
    Statt den sechsen, die er gewünscht, würden genügen auch drei oder vier.
    Denn so – dachte ich – würde verlängert werden die Arbeit. Mein Herr aber wäre gezwungen auszuharren bei uns, solange anhielte die Arbeit.
    Das aber dachte ich wie ein Kind, ich geb’s zu. Denn ich hoffte, er würde inzwischen genesen.
    Auch dachte ich damals: Vielleicht bedarf er nur zu genesen vom Traum. Indem nämlich einschritte Gott, meinem Herrn einen anderen sendend.
    So trat ich unter die, die anboten ihre Waren, und zwischen die, die anstarrten und wählten, zurückwiesen und feilschten, kauften und aufluden, davontrugen oder andere sich bücken ließen, zu tragen.
    Und ging viele Stunden unter ihnen.
    Und als es Nachmittag war und die Sonne sich neigte, hatte ich niemanden gefunden.
    Denn ich wollte niemanden finden.
    Es ekelte mich nämlich der Auftrag, mit dem ich umging. Als befähle ich welchen, vorzubereiten insgeheim Mord. Und ich wollte niemanden ansprechen deshalb.
    Und alle, die ich sonst hätte gewählt – denn viele boten sich an und suchten zu erhaschen mein Auge, daß ich heranträte an sie –, schienen wie Räubergesindel mir, das lag auf der Lauer, mich ins Netz zu ziehen.
    Da sah ich zwei sitzen. Sie waren an eine der großen Säulen gelehnt. Und der ältere der beiden schien mir träg und faul und war eingeschlafen.
    Aber auch der andere, der etwas jünger sein mochte, sah nicht her. Und keiner schien begierig, Arbeit zu finden.
    Kräftig genug schienen sie mir. Ob sie aber verrichten könnten, was ich sie hieße, wäre ungewiß.
    Und ›ungewiß‹ wäre mir gut genug. Denn sollte sich’s herausstellen am Felsen, daß sie nicht wissen, wie man zu Werke geht, so wäre der Tag verloren. Ich würde schimpfen mit ihnen, sie wegsenden, wäre bald zurück auf dem Markt und hätte den ersten Tag schon verlängernd gewonnen.
    Da faßte ich mich und sprach den an, der noch wach war.
    Und der weckte den Älteren, als er hörte, was ansteht. Und sagte mir, mit dem Lohn seien sie einverstanden.
    Erst da sah ich aber, daß es vier waren, die sich regten, als ich vom Lohn sprach. Denn zwei weitere lagen im Schatten auf der anderen Seite der

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