Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)
Und nur die Mägde sprachen erinnernd vom Landhaus, wie zufrieden sie dort, wieviel schöner und größer alles gewesen.
Erst als ich fünfzehn war, am Abend war’s, als wir loszogen – denn Phylakos und ich wurden anderen anvertraut in Sepphoris, die zogen hinauf nach Jerusalem und nahmen den Weg durch den Jordangraben, nur Tage bevor wir, wie ihr nun wißt, die Höhle mit dem Zug Pilger betraten –, ja, beim Abschied also erst war’s, da drängte Sedulas Gewissen sie, von meiner verstorbenen Mutter mir zu sprechen.
Denn als vormals andere zu mir sprachen – ich zählte sechs oder sieben Jahre damals – und behaupteten, die Magd Sedula sei gewiß meine Mutter nicht, und mich also belehrten:
›Sieh doch, deine Haut – ist die deiner angeblichen Mutter auch nur annähernd so dunkel? Und dein Haar, ist es etwa braun wie das deiner Mutter? Und ist es nicht schwarz wie Pech? Und deine Nase und Augen und deine Stirn sind anders geformt als die, die wir erkennen an Sedula, die dich wohl hält wie eine Mutter, aber dich gewiß nicht geboren hat.‹
Da ging ich zu Sedula und weinend fragte sie selbst.
Sie gab zu: ›Geboren hab ich dich nicht.‹ Von meiner Mutter aber, behauptete Sedula, wisse man nichts. Und sie mied, ich fühlte es, darüber mit mir zu reden.
Dagegen ließ sie es nicht nur zu, sondern forderte liebevoll und hörte es gern, wenn ich sie, ob ich Kummer hatte oder Rat suchte, weiterhin mit ›Mutter‹ ansprach.
Da also, wie gesagt, erst am Abend des Abschieds in Sepphoris – man rief mich bereits und mahnte zur Trennung –, sprach Sedula plötzlich, als habe sie öfter schon davon gesprochen, nur nicht nach außen, sondern in sich gehalten die Stimme:
›Noch jung war sie, die Ägypterin, deine Mutter.‹
Ihren Namen aber nannte Sedula nicht. Sondern fuhr fort:
›Noch jung war sie, als sie zum Gesinde des Landhauses kam. Und allen gefiel sie. Und war damals keineswegs schon Mutter. Nein, weit davon.‹
Und gebannt war ich durch Sedulas Worte, obwohl andere mich riefen zur Eile und Trennung. Denn ich wußte: was sie jetzt sagt, ist wahr. Denn es sind die letzten Worte, ihre letzten, die will sie mir mitgeben. Die sind ihr Geschenk.
Denn Sedulas Gewissen drängte sie, mir zu schenken, was sie so lange – aber aus Liebe, aus Hilflosigkeit – hatte für sich behalten.
Aber auch sie sprach wie gebannt, hinsehend auf mich am Abend des Abschieds, und sagte:
›Wie ähnlich bist du in den vergangenen Jahren geworden deiner Ägypterin!‹
Und als sie’s sagte, strich sie liebevoll über mein Gesicht. Wie in Erinnerung an die Mutter tat sie’s erinnernd. Aber auch einprägend tat sie’s, einst zu erinnern die Züge Neiths, von der sie jetzt schied.
Und während sie hinfuhr über die Linien und sie immer wieder bestrich, als wolle sie tilgen die Tränen, da wurde meine Mutter, die einst vor ihr stand, verwandelt in Neith, die jetzt vor ihr stand, zum Abschied doch schon.
Sedula aber strich um mein Kinn und strich über Lider und Nase. Und sie teilte aus liebevoll Striche linkshin und rechtshin über die Brauen und Schläfen.
Da strich sie mir – wieder riefen die anderen, ich solle heraustreten, zur Abfahrt sei alles bereit –, strich sie mir über die Stirn.
Und hielt an ihre flache Hand, daß ich spürte eindringen die Wärme der alten Hand, die dort hielt.
Und ihre Hand hielt auf der Stelle der Stirn, als segne sie mich zum letzten.
Da, plötzlich, sprach sie:
›Die hohe Stirn aber hast du nicht von der Mutter. Die ist vom Vater.‹
Ich erschrak, sie muß es gefühlt haben. Noch unter ihrer Hand.
Nie hatte sie, nie hatte eine der Mägde, mir je gesprochen vom Vater.
Jetzt aber – denn sie wußte, wir würden einander nie wiedersehen, und es bliebe bei ihr, was sie wußte um meine Herkunft –, jetzt aber spricht sie:
›Ein ägyptischer Sklave ist er gewesen. Der kam uns ins Haus am Tag selbst, da ein anderer starb. Und übernahm dessen Pflichten.
Und führte sie aus, als sei er in dessen Haut geschlüpft. So daß niemand trauerte nach dem alten. Denn vielen war’s, als sei jener immer noch da.
Da beschuldigte man eines Tages diesen Ägypter, eine der Mägde geschwängert zu haben.
Und er leugnete es nicht. Und, mußt du wissen, nicht widersprach ihnen die ägyptische Magd, deine Mutter, als man sie stellte zur Rede. Denn man sah doch, sie war schwanger.
Der Ägypter aber, dein Vater, wurde bestraft – aufgehängt wurde er –, da brachen Aufständische ein. Die
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