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Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Titel: Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Roth
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Magd, es war wohl eine. Die spielte mit meinen Füßen. Sie umfaßte die Sohlen und zog mir die Beine hinauf, zog sie lang und ließ sie dann wieder herab, bis meine Knie berührten den Knochen meiner Brust. Und kaum berührt, zog sie die Beine wieder zu sich hinauf, sie wieder herabzudrücken auf meine Brust. Denn sie tat immer wieder dasselbe, wohl weil ich Freude bezeugte. Nichts weiter.«
    Da antwortete Neith:
    »Und doch ist es das erste, die frühste deiner Erinnerungen. Und wird sie wohl immer bleiben. Davor zurück wirst du nie vielleicht kommen. Dieses – scheinbar Geringste – kam aber zuerst. Und hat sich erhalten. So daß es dir niemand bestätigen muß. So tief ist es in dir, so tief hat sich’s abgelegt eingegraben.«
    Und Balthazar sprach:
    »Ja doch, so ist es. Dir aber, Neith, dir selbst, was fällt dir ein als erstes?«
    Da sprach Neith:
    »Denn genau das war’s, was mir kam, als Joseph aus seinem Anfang erzählte und das Tuch, das ich zu weben begonnen, noch am Anfang stand, kaum heraufgewachsen vom unteren Webebaum.
    Da kam mir, während ich wob und Josephs Worten noch lauschte, in seinen Bildern ein Bild, das war Geruch, war ein Fühlbares, Tastbares, war, daß ich’s schmeckte auf meiner Zunge.
    Es war aber Feuer, was ich sah.
    War Geruch Feuers, den ich roch.
    War fühlbar drängende, sengende Flamme, die nach mir biß, bitter brennend auf meiner Zunge saß, mir schnürte den Atem, Asche streute in meine blinden Augen. Und mich mit allverschlingendem Brüllen umriß.
    Das ist das erste. Das erste, was ich erinnere.
    Aber wiedersah erst, als Joseph erzählte.
    Da schien es auf:
    Feuer.
    War plötzlich in jedem meiner Sinne.
    So geschah es mir, als Joseph sprach vom Brand des Landhauses bei Sepphoris. Und beschrieb, wie er herbeigetrieben war, auf dem Weg in die Stadt abgetrieben wurde von Reitern. Und dann, vor dem brennenden Haus, in die Flammen gesandt war, um darin zu suchen das Kind des römischen Herrn.
    Ihr erinnert euch?«
    Und Monoimos sprach:
    »Wir erinnern uns. Joseph aber fand nicht das Kind des Römers.«
    Und Balthazar fügte hinzu:
    »Tot fand er’s, erinnerst du nicht? In den Armen der Witwe verbrannte es, so hatt er erzählt.«
    Da sprach Neith zu ihnen:
    »Aber doch fand er eines. Fand’s in den Armen des Aufsehers, noch im brennenden Haus. Denn daran erinnert ihr euch doch auch.
    Denn der Aufseher war niedergezwungen, unterm Joch eines brennenden Balkens steckengeblieben.
    Da stemmte Joseph ihn noch heraus und nahm ihm aus der Hand das Kind, jenen Säugling.
    Und fand hinaus, ihr erinnert euch, fand den Weg durch die Finsternis Rauchs und Brands, und glaubte noch, gefunden zu haben das Kind, das der Römer ihn zu retten gesandt.
    Da war’s aber das Kind einer Ägypterin, ihr erinnert euch.
    Und der gab er’s, die da lag, der Ägypterin, deren verbrannte Hände griffen danach.
    Denn sie war selbst in die Flammen gerannt, zu finden ihr Kind. Und man hatte sie kaum aus den Flammen gerettet.
    Und Joseph berichtete mir – wie ich’s euch wiedererzählt –, daß sie ließen der Mutter, jener Ägypterin, ihr wiedergefundenes Mädchen und entzogen das wiedergefundene nicht ihren Armen.
    Und am Abend schon, so berichtete mir Joseph, soll die Mutter verstorben sein.
    Das Kind aber, jenes Mädchen … Aus dem Innern des Baums, den sie fällen mußten im Garten – so angebrannt war der, ihr erinnert euch –, aus dem Innern des Baumes heraus, darin er stand, Joseph, sah er das Mädchen nochmals. Ihr erinnert euch.
    Sah es liegen unter den Mägden, die schliefen draußen in der Nacht großen Feuers und lagen nahe bei der gefallenen Krone des Baums, aus der Joseph blickte auf mich.
    Und – versteht ihr? – mit ihm zurück, mit Joseph zurück ging ich.
    Denn mir war, als sei ich das gewesen. Jenes wiedergefundene Kind unter Mägden.
    Und mir war, als gehörten die Bilder, von denen er sprach, mir .
    An meine Mutter aber, die starb, die Ägypterin, die Joseph mir da beschrieben, an die hatte ich keine Erinnerung mehr.
    Denn – bis heute – nichts reicht zurück hinter den Brand.
    Aufgezogen aber wurd ich von Mägden – jenen Mägden, die Joseph gesehen. Und glaubte langehin, Sedula, die älteste von ihnen, sei meine Mutter.
    Sedula aber nannte mich Neith. Und ich fragte nie, warum sie mich so benannt.
    Nicht an ein Landhaus erinnere ich mich aber, sondern an Haus und Hof in Sepphoris. Denn wir wurden nach dem Brand alle vom römischen Herrn dorthin geschickt, in die Stadt.

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