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Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Titel: Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Roth
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als er floh mit dem Sklaven?‹«
    Und Balthazar sprach:
    »Und sagst du nicht ebenso: daß die Frau, die trat aus dem Landhaus des Römers und die hinging und band mit dem Seil deinen Vater an Joseph – die sei deine Mutter gewesen?«
    Da sprach Neith:
    »So fanden wir. Denn wir prüften und sammelten in eins das Zerstreute und sahen: die Scherbe hier fügt sich in jene dort, und dieses, geprüft, wird von jenem ergänzt. Und sahen einander zu, wie – webend, redend, erinnernd und bindend – erschreckend uns plötzlich umgab das Ganze.«
    Da sprach Balthazar:
    »Das Ganze? Erschreckend? Was ist das Ganze, das dich erschreckt?«
    Und Neith antwortete ihm:
    »Den Bruder sah ich – sah ihn vor mir. Den Sohn der Maria. Der, den aufzog Joseph in Nazaret und liebte und verweigerte Gott, ihn zu opfern. Von dem Joseph erzählte, während ich webte.
    Weiter noch, tiefer noch: denn Jesus selbst erzählte ja mir, erzählte durch Joseph in Josephs Stimme, als er sprach vom verlorenen Buch. Und als er träumte, sprechend durch Joseph, in Josephs Stimme, träumte davon, daß er das Verlorene findet.
    Und jetzt war mir, als hätte ich es gefunden.
    Als sei’s mir plötzlich gelegt in die Hände.
    Mehr noch:
    Als sei’s aufgerollt worden, das Buch, aufgetan zwischen Joseph und mir das Verlorene. Und wir lasen daraus.
    Und lasen uns selbst daraus ein.
    Und sahen den Faden, der band uns zusammen.
    Mir aber auseinander drängte sich alles vor Angst – noch während ich’s band, noch während wir’s zusammenfügten und lasen und suchten zu fassen.
    Und es ward erschüttert das Gefügte, als würde nochmals, gewaltiger jetzt, zerschmettert die Fügung.
    So daß ich zitterte zwischen den Fugen und innerlich barst vor Angst an dem Wissen.
    Denn ich hatte mir doch, über zwei Monate hin, während Joseph mir erzählte, heimlich ein Bild gemacht von jenem, den er geheimnisvoll forttrug im Anfang.
    Denn schon beim Zuhören damals fragte ich mich:
    Wer war der Ägypter, der auf dem Grund der Zisterne Antwort gab Josephs Maria?
    Den Maria fragte: ›Wie heißt du?‹
    Wer war der Sklave, dessen Namen – kaum kam er ins Ohr – hinschlug Maria machtlos zu Boden?
    Wer war der blutende Mann, der doch spurlos verschwunden war, als die Söldner stießen auf sein Versteck, die Zisterne?
    Und auf wessen Grund, darauf der Ägypter im Dunkeln gelegen, wächst stachlichte Gerste?
    Wer war also der, den Joseph trug durch die Nacht auf Nazaret zu?
    Und später, viel später, fragte ich mich mit Joseph, der davon erzählte: War’s der, den der Dreizehnjährige vor Jerusalem am Kreuz hängen sah? Als Jesus getroffen war nämlich von dessen Auge und, getroffen von ihm, rannte zurück in den Tempel?
    Denn ich fragte mich doch, daß es mich packte vor Angst:
    Wer war dieses Wesen?
    Denn unter den Händen hatten wir alles geprüft, was auseinandergesprengt worden war, Joseph und ich. Und jetzt, im Begreifen, wollte’s uns wieder zerbersten.
    Wir aber hielten fest, daß es hielt.
    Was hielt?
    Das Einfache.
    Daß ich teilte mit Jesus den Vater.«
    Da sprachen Balthazar und Monoimos zusammen:
    »Das ist unmöglich.«
    Neith aber antwortete ihnen:
    »Das sagt ihr jetzt, da ihr wißt, was ihr zu wissen glaubt. Wir aber, Joseph und ich, wir wußten noch nichts, wir hatten’s erfahren .
    Denn wir wußten nicht, was es heißt: daß Joseph leben mußte, wie er gelebt, und sich verweigerte Gott, um zu retten den Sohn.
    Und ich wußte nicht, was es heißt: daß ich leben mußte, wie ich gelebt, von Mutter und Vater, von meiner Herkunft nicht wissend, bis ich ihn traf, Joseph – bis ich traf einen, der alle verließ.
    Und wir wußten nicht, was bevorstand.
    Wußten nicht, wo er war, Josephs Sohn, Jesus, mein Bruder.
    Denn was ihr jetzt wißt und für sicher haltet – wie viele hat es erschüttert, als sie’s erfuhren?
    Und durch die hin, die sich nicht sicher waren, sich selbst nicht mehr wußten, glaubt ihr heute zu wissen.
    Und glaubt, ihr hättet’s damit geschafft. Hättet etwas, das sicher sei.
    Kehrt um! Ihr müßt zurück.
    Zum Unmöglichen hinab.
    Vergeßt, was ihr wußtet!
    Denn nicht, wie ihr wollt, fügt sich, was zusammengehört.
    Sondern dort hin müßt ihr, dienend ihr nach, jeder noch so geringen Scherbe des Tiegels.«
    Da blieben still die Zuhörer Neiths, als sie so zu ihnen gesprochen.
    Kapitel 109. Der letzte Stein
    Und Neith fuhr fort:
    »Ich aber sagte euch ja, mich erschütterte, was wir gefunden. Und während der Prüfung noch

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