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Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Titel: Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Roth
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zu Schilo. Als liefe er herbei und sähe liegen in der Halle des Schreins: sich statt des Samuel.
    Und da, in Gedanken, war’s Jesus, als sei er, Jesus, gerade zum vierten Male erwacht und liefe zum vierten Male hinüber zu Joseph, seinem Vater, der dort lag zur Nacht wie einst Eli im Heiligen Zelt zu Schilo.
    Und in Gedanken versunken schien es dem Sohn, als habe Joseph erkannt, wer es war, der Jesus im Schlafe berief. Und als habe einst Eli dem Samuel, heute aber Joseph dem Jesus gesagt: wie zu antworten sei, wenn ER, Jahwe, Jesus riefe zum fünften Mal.
    Als aber Maria schlief und die Seinen schliefen, auch die Söhne drüben beim Feuer lagen im Schlaf, da kam in der zweiten Nacht nach dem Aufbruch aus Nazaret ein Traum zu Joseph und trat vor den Schlafenden hin, daß Joseph ihn sehe wie mit offenen Augen.
    Denn da, im Traum – vor dem Ort, darin Gott einst hatte wohnen lassen Seinen Namen, bevor er den Ort verließ – war Joseph verlassen.
    Und nicht mehr die Seinen, die schliefen bei Nacht, sondern Stille umgab ihn, den einzigen unter der Sonne des Traums.
    Denn um Joseph war’s wüst und leer, zu Sand geworden das Land.
    Und Brandgeruch stach in die Nase des Träumers, als habe Feuersbrunst alles im Umkreis verheert. Und alles war gelber Sand, so weit hinsah das Auge Josephs. Und die Sonne brannte hernieder.
    War Wind zu hören im Traum?
    Wind war zu hören. Kam aber und ging. Und blieb schließlich aus.
    Und dann war es still?
    Totenstill. Am hellichten Tag.
    Wo stand er also, Joseph, im Traum?
    Er stand auf der Stelle und sah umher und suchte hin über den Sand. Da war gelber Sand, so weit reichte das Auge.
    Und suchte wohin und nach wem?
    Suchte die Seinen, die ihm lieb waren über alles. Suchte, wo sie lägen oder stünden, wartend auf ihn, daß er sie wiedererkenne und nach ihnen rufe.
    Und sah er welche?
    Er sah niemand. Keinen Menschen. Kein Lebewesen. Auch nichts Kauerndes oder sich Krümmendes. Denn alles bis an den Horizont war gleichhin ebener Sand.
    Jetzt aber, ein Schritt. Ging er nicht einen Schritt vorwärts?
    Einen Schritt ging er vorwärts. Und zu hören war leise der Sand, nachgebend, weichend, sich wölbend unter der Sohle.
    Dann, als er stand, rieselnd zu hören, nur leiser noch: Sandkörniges, das vom Kamm der im Hintritt entstandenen Wölbung zurückrieselte, einzelne Körner, dünig hinab vor die Zehen.
    Und das noch hört er?
    Er hört es, denn sonst ist nichts zu hören.
    Und er fühlt – ?
    Angst. Nichts als Angst. So, völlig beraubt der Seinen und seiner Welt, auf der Stelle zu stehen.
    Und der Brandgeruch stach ihn, und aufstach in ihm Erinnerung an die Feuer. Zwölf Jahre war’s her. Dort am Weg nach Sepphoris, als Garten, Gehöft und Landhaus niederbrannten des Römers.
    Und da, kam nicht endlich ein Wind, traf an sein Ohr?
    Nein, der Wind war gekommen, gegangen, blieb aus. Blieb lange Zeit aus.
    Und dann kam, wie von einzelnem Windstrahl getrieben, ein einzelnes Sandkorn hin übers Land und schoß und traf die Muschel des Ohrs Josephs. Hörbar und spürbar, vernehmbar. Denn die Windung hinab rieselte es hin, einzig hinein in sein Ohr.
    Und da kam ein zweites Sandkorn, windstrahlgetrieben. Und traf.
    Und ein drittes und viertes, ein fünftes und sechstes. Und trafen nun schneller ein, hintereinander das siebte und achte und neunte und das zehnte schon gleichzeitig fast mit dem elften und zwölften, dreizehnten, vierzehnten.
    Und schossen heran, schossen im Nu, denn schon flutete’s windgetragenen Sand, schossen unzählbar die Körner im Strome. So daß Joseph unter verdunkeltem Himmel weiterzog im Geprassel, getriebenen Schritts – wohin, wußt er nicht. Und beugte das Haupt, zu sehen.
    Da strauchelt er, fällt, hält aber im Fall sich noch fest. Hält sich fest, fällt nicht tiefer.
    Und sieht jetzt, daß sein Fuß strauchelte, weil er hinaus über den Rand getreten war einer riesigen Grube.
    Denn an deren Rand hielt er sich fest, fiel nicht tiefer.
    Und da sieht er, nicht weit – er zieht sich am Rande hinüber – : eine Leiter. Die führt hinab in die Grube.
    Und Joseph erreicht die Leiter und steigt sie, unters Wehen des Sands steigend, zehn Ellen hinab.
    Bis zum Fuße der Leiter.
    Und kommt am Fuße der Leiter auf einem Vorsprung zu stehen der Grube im Sand. Und steigt von dort abermals tiefer hinab in die Grube, eine zweite Leiter hinab, zehn Ellen tiefer.
    Bis auf den Grubengrund.
    Und als er den Fuß setzt auf den ebenen Grund der Grube, wohl zwanzig Ellen tief

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