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Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Titel: Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Roth
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unter der windgetriebenen Sandflut, da erkennt er das Ausmaß der Grube.
    Denn ihre Wandung war wie von Handwerkern säuberlich ausgeschachtet und glatt. Und war auf dem Grunde doppelt so lang und doppelt so breit wie die Tiefe, in die ihn die Leitern geführt hatten hinab.
    Und das Staunen Josephs, als er das Ausmaß der Grube ermaß, in die er hinabgestiegen, verflog es schon bald?
    Ermessen war nichts und wie Nachhall die Schätzung, die er mit erstem Auge geschätzt. Wie Nachhall und Raunen unter der windgetriebenen Sandflut. Und Josephs Staunen, nicht verflog es, sondern wuchs an.
    Denn ein anderes als das vom Auge zunächst Erfaßte, schlug stärker an, stärker noch als das Ausmaß der Grube. Stärker noch als sein Fragen, wer sie gebaut und wer die Leitern gestellt, als sein Rätseln, ob heute, ob gestern, für morgen.
    Stärker noch schlug etwas Joseph, den Träumer, der da stand auf dem Grund jener Grube, tief unter Windflut aus Sand.
    Denn Joseph stand nicht allein. Und die Grube, die große, die lag nicht leer vor ihm da.
    Sondern – schon geht Joseph vorsichtig hin, den ersten Schritt darauf zu, zögernd den zweiten und dritten:
    Da liegt flach, inmitten der Grube, ausgestreckt, daß die Enden reichen bis vor die glattgeschachteten Wände:
    Mächtig ein hölzernes Kreuz, wie er nie gesehen.
    Und der Längspfahl des Kreuzes ist stämmig geschälter Pfahl, ist es aber nur bis zum Querbalken hin, der stämmig querend sich fügt in den Pfahl.
    Unterhalb aber der Querung des Kreuzes ist es Pfahl nicht mehr, sondern Leiter geworden. Die zieht längs der Holme sproßabwärts ans Ende, zur ersten Sprosse hinab des Kreuzes, das lag inmitten der Grube.
    Da trat Joseph heran, Schritt für Schritt, vom Anblick des gewaltigen Marterwerkzeugs schwerer beschwert. Denn das Qualgerüst zeugte ihm tiefe Angst.
    Und näher kommend, fühlt er: Es bannt sie zugleich. Staut meine Angst und löscht sie. Und, kaum gelöscht, läßt sie auflohen wieder.
    So daß er tastend wie durch ängstlich wucherndes Flammengestrüpp sich reißt, um vorwärts näher zu kommen.
    Und Joseph bricht ins Knie, nähergekommen dem Kreuz.
    Denn er vernimmt die Schreie der Holme der Leiter. Hört – als würde er wahnsinnig – menschenschreien das Holz.
    Ins Ohr dringt längsgezogenes Qualgeschrei, von längsauf und längsab her der Stangen der Leiter. Und zwischenhin, quergedrängt durch den Schmerzenlärm jener, hört Joseph süßlich duftendes Gurren. Hört’s zärtlich lockend – wie taubenher – gurren und zwischenhin flüstern und flackern. Es ist aber das Gurren und Locken steigender, fallender Sprossen der Leiter. Sind Sprossen, die locken bestiegen zu werden. Die schläfrig locken, zu stehen aus dem Schlaf. Noch nicht im Stand stehen die Sprossen, aber locken im Liegen herbei den Besteiger, im Schreien der Holme sich wölbend um ihn, diesen einen: ›den lieblichen Sproß unsrer Sprossen!‹ So rufen ihn nämlich die Stimmen der Leiter.
    Und Joseph vernimmt’s.
    Da reicht hin und faßt an: Josephs Hand. Erreicht seine Rechte das schreiende Holz.
    Und flammend heiß, so daß er zurückzog die Hand, war das Holz. Aber kein Feuer daran zu sehen.
    Und als er die Finger zum Mund zog gerötet, sie mit Speichel zu kühlen, da roch er und schmeckte er Salz. Frisch noch, als flösse unsichtbar Meer über die Holme, bemäntle das Holz mit unsichtbar-gläsernem Mantel.
    Und bernsteinbraun gelbgeädert leuchtete Joseph das Ende der Holme der Leiter. Als fiele die Angst dort der Schreie der Holme: versteinernd aufs Holz selbst zurück. Und färbte’s und äderte’s so, versteinernd das Holz.
    Im lockenden Gurren der Sprossen aber drang’s grün durch den gläsernen Mantel herauf. Und sproß und grünte hinab bis zur untersten, ersten.
    Und über den untersten Sprossen – Joseph sah hin, noch auf Knien – da schwebte verharrend ein Blatt.
    Und das Blatt war blau, und bläulich glimmend und glosend die gewölbten Ränder des Blatts, und es schien alt und vertrocknet. Und doch verharrte es, windgebogen an Form, wie lebendig noch schwebend, knispernd im Hauche des Winds. Denn als hielten es Winde aus Richtungen vier, die träfen hier bindend das Blatt – beugend es sanft, als sei’s jung noch und frisch –, so verhielt es in Schwebe über den untersten Sprossen. Und war bläuliches Blatt überm Grün solcher Sprossen. Und sank nicht noch hob sich, noch wich hin zur Seite. Sondern harrte, kräuselnd gebogen, wie Welle vorm Fall.
    Das Blatt aber

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