Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)
Zuschauer, Spur der Passanten.
Da, Vater, vermocht ich nicht mehr, mich umzuwenden nach ihm. Als ertrüg ich nicht, mehr zu sehen.
Und doch, wandte mich um. Als sollte ich sehen. Und sehend erkennen, ich wußte nicht was. Wußte nicht wen, aber wandte mich um.
Da war’s der Moment, als sie wandten ihn um.
Denn sie hielten ihn aufrecht zunächst so, daß er stand, das Gesicht zur Stadtmauer hin. Bevor sie ihn niederzogen und legten aufs Holz.
Da, die kleine Weile lang, als er noch stand, sah ich streifen sein Auge. Als suchte er, zu erkennen welche, die gekommen wären, ihn bis hierher zu begleiten.
Es war aber niemand. Und an niemandem hielt sein Blick. Denn es war niemand gekommen.
Es lag ja das Haus, dem er entflohen, nicht in der Stadt oder nahebei, sondern fern. So daß keiner gekommen war, ihm zum Letzten ins Auge zu sehen, fest zu halten den Blick.
Da aber, zum Letzten, flügelschlagschnell kam es her, hielt sein Auge auf mir.
Und ließ sich herab sein Auge auf meines.
Im Augenblick, da ihn die Soldaten zogen nach unten, da war’s geschehen.
Und vom Auge her, das mich gesehen und in das ich gesehen, überfiel Angst mich. Und hielt mich durchbohrt.
Und einer, der bei mir stand, warnte, ich wußte nicht, wen. Denn – hört ich ihn sagen – die weinten oder bezeugten Schmerz und Mitleiden mit einem wie diesem, liefen Gefahr, von Soldaten als Sympathisanten aus der Menge gezogen und hinüber zur Schädelstätte gezerrt zu werden.
Dem Sklaven nämlich, so hörte ich ihn, hätten Helfer verholfen zur Flucht. Nach denen und deren Duldern suche man noch.
„Hüte dich also“, sprach er zu einem, „denn Tränen verraten den Helfer.“
Da kam über mich ein Verlassensein übermächtig. Es war aber seines, des Ägypters, das Verlassensein des Gekreuzigten meines. Und seine Einsamkeit, die hinaussah und dort niemanden kannte, war meine. Denn sie hatte erkannt mich. Und mit seiner Einsamkeit hatte sein Auge, im Letzten noch, sich niedergelassen auf meinem, dort haltend.
Und gehalten war ich und hielt. Bis ich fassen konnte nicht mehr das Verlassensein dort und mein Verlassensein hier.
Sondern mich abwandte von der Vernichtungsstätte, mich umwandte.
Und eilends hinfloh. Durchs Gartentor hin, zum Tempel zurück.
Denn Antwort wollte ich dort. Zuflucht und Aufhebung aller Verlassenheit. Sicherung, daß Verlassenheit im Innersten, wo ER wohnt, nie Wohnung habe.
Denn bei IHM wird verlassen Verlassenheit. Vor dem Tor wehrt ER ihr, läßt sie nicht einwohnen, die nicht zugelassen wird bei IHM. ER aber läßt nur zu und einzig umfängt den Seinen, auf den ER gewartet: den wiedergefundenen Sohn.
Denn so erfuhr ich’s, und so wurde mir Antwort im Tempel. Nun weißt du, Vater, was mir widerfuhr und warum ich zurückblieb und was mit mir geschehen.‹
Und sie gingen still miteinander, Vater und Sohn, Jesus und Joseph.
Und Maria, die herkam hinter den beiden, sah, wie der Vater umfing mit dem Arm. Wie er an den Schultern herbeizog den Sohn. Wie er ihn an sich preßte augenblicklang, noch im Gehen.
Joseph aber, still in Gedanken, sah dem Ägypter nach, von dem Jesus sagte: ›gekreuzigt vorm Gennattor an der Vernichtungsstätte‹. Auf jenem Hügel also, an dem sie vorbeigezogen waren, nur zwei Tage her.
Und sah vor sich den, den er getragen, von einst.
Und ahnte: der könnte es sein.
Und wußte nicht, was es bedeutet. Und ob, was also dem Sohn widerfahren war, schon angekündigt gewesen im Traum von der Kreuzesgrube. Denn beim Kreuze stand doch, auf dem Grund jener Grube, Joseph im Traum. Und konnte aus der Grube nicht finden.
Aber in jenem Traum vom Kreuz in der Grube war Joseph der Verlassene. Weder vom Ägypter noch vom Sohn sprach der Traum. Nur Joseph zeigt er allein in der Grube.
Und also dachte Joseph und sprach bei sich im Innern: ›Mir gilt der Traum. Nicht dem Sohn. Und doch erinnert mich – im Ägypter – Jesu Erlebnis an etwas, von dem der Sohn gar nicht wissen kann. Es ist, als habe außen einer verraten dem Sohn, was verbindet. Was also mich und den Sohn und Maria an den gepeinigten Sklaven bindet. Den Ägypter, den ich mir einst schnitt vom Baum jenes Gartens.
Als nämlich des gekreuzigten Sklaven Auge, wie Jesus beschrieb, sich setzte auf ihn noch im Letzten, da war’s doch, als entdecke das Auge sich ihm, diesem Sohn. Auf daß der Sohn sich wiederkenne im Auge.
Und der Sohn hat sich wiedererkannt. Und wollte – in großer Angst, die ihn im Erkennen befiel – Antwort erhalten
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