Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)
den Fuß, hält die Wange gepreßt an den Felsen, die Finger klammernd am Vorsprung. Als klimme er riesig Gemäuer, zum Berge gefugt, empor.
Fremd schien ihm der Berg.
Und da, als er den Gipfel erreicht, sich hinaufzieht und steht, erkennt er’s im Traum und weiß es:
Es ist der Berg Sinai, auf dessen Haupte er steht. Der Berg, auf dem Mose empfing das Gesetz.
Denn hier, zur Rechten, sieht Joseph hin über die Wüste bis Hazeroth. Ja, bis hinauf nach der Siebenquelle Beersheba reicht das Auge des Spähers.
Und weiter noch, übers Gläserne Meer und die Opferflamme des Heiligtums in Jerusalem hin, bis nach Schilo zur Kreuzesgrube reicht Josephs Auge. Und er sieht die Grube, sieht blinken im Licht das Salz der Sprossen der Leiter.
Als habe aufgerichtet einer das Kreuz.
Und weiter noch reicht vom Berg Sinai aus das Auge des Joseph: erreicht noch Nazarets hügelumwölbtes Tal. Sieht Sepphoris Stadt und sieht die Mauer des Landhauses glühen. Und dahinter erhascht im äußersten noch: den Weißglanz des Schnees, der den Hermon bedeckt, daraus herabsteigen die Wasser des Jordan.
Soweit sah Joseph zur Rechten ins Land, vom Berge, auf den Gott ihn entrückt.
Und zur Linken sieht Joseph hinab nach Elim, auf den Grund der zwölf Quellen und zur Wurzel der siebenzig Palmen. Und sieht hin über die Wasser des Schilfmeers bis hinein nach Ägypten.
Bis in die schwarzversteinerten Kammern des Herzens des Pharao, der sitzt auf dem Thron, reicht das Auge des Spähers.
Bis in die Unterwelt unter den Herzstein, in die sich hinabläßt die Sonne.
Bis in die Vernichtungstätten der Unterwelt, wo die Uräusgestaltigen kochen die Feinde Osiris’ und die Arme des Urmeers halten den Kessel, darunter auffährt die Flamme.
Bis in die Kammer im verborgenen Raum unter der Unterwelt reicht das Auge des Spähers, wo das Auglicht der Sonne im Geheimnis neu wird geboren.
Bis hinab auf den Flügelschlag unten dort – niegehört, niegesehn – sieht es ins Unterste noch, das Auge des Joseph.
Und lichtsamig schwarz sieht’s zurück in ihn, Joseph.
Von der Linken zurück, wohin er geschaut.
Und das lichtsamig Schwarze trifft den, der’s erblickt.
Da sieht Joseph kommen von Mitternacht her und von Mittag, von Aufgang her und von Untergang: mächtig Gewölk.
Das drängt sich hin rings, flüchtig zum Sinai, Berg und Späher dort turmrund umdunkelnd.
Und Joseph, still steht er in der Dichte Gewölks auf dem Berg Moses, steht furchtergriffen und still im lichtsamig Dunkeln.
Unter ihm aber, um seine nackten Menschensohlen her, raucht der Berg wie brütender Ofen.
Da sucht Joseph nach dem Geruch im Rauche, darinnen er steht. Riecht aber nicht das Erz des Schmelzofens, sondern hungrig Geruch wie von Brot, das Hungrige sich erträumen.
Es rauchte aber der Berg wie ein riesiger Ofen, denn der Herr hatte sich niedergelassen darin.
Da fiel Joseph nieder, hingestreckt auf den Felsen, und preßte die Stirn an den Stein, sein Haupt an das Haupt des Berges, auf daß einbräche der Rauch in den Eingerissenen, Joseph.
Und es flog in ihn, zuflüchtig, Ruch Seines Wortes. Wie Brot war’s, kam Mund zu Mund.
Und es geschah, ER sprach aus der Wolke in Joseph hinein:
›Joseph! Joseph!‹
Und Joseph – wie Samuel sprach er, wie Jesus – sprach:
›Ja, Dein Knecht hört.‹
Da sprach ER zu Joseph:
›Ich bin der Gott deiner Väter, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks, der Gott Jakobs. Nimm doch Jesus, den Sohn, den du liebst, führ ihn hinaus und schlachte ihn mir zum Brandopfer auf dem Berg, den ich dir weisen werde.‹
Da, entsetzlich drang Schmerz in ihn, Joseph, den Mann. Daß er bebte, der Sohn der Menschen.
Denn ausgeliefert und offen war er dem empfangenen Wort, seine Stirn auf der Stirne, Haupt auf dem Haupte des Felsens.
Denn wie siedend-sengender Strahl traf ihn die Schneide des Schwerts Seiner Stimme.
Und durchbohrte Joseph hinabhin. Daß er in Augenblickshelle des Schmerzes sieht: Wer gesprochen, und Wer ihm – aus dem Innersten des Berges herauf – zugebrüllt hatte das Schlachtwort.
Drachengleich opfergefräßig, ausbruchsbereit, sah er IHN wüten im Innern des Berges.
Da erwacht vom Traum Joseph in Schweiß. Ihm trieft Haut und Haar, als habe ein Dämon auf ihm gebrütet.
Und vor Morgengrauen, im Dunkeln noch, stürzt er hinaus, als stünd er in Flammen, alle Sinne im Feuer.
Er tritt aus den Grenzen des Dorfs, will redend beruhigen sich. Will zu sich redend zur Stimme finden. Sich auszureden, was er gesehen-gehört
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