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Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Titel: Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Roth
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und Zuflucht im Heiligtum Gottes.‹
    Aber, dachte da Joseph, sehe nur ich es so?
    Daß nämlich hier der Vater gekreuzigt wird vor dem Sohn? Und der Vater sich opfert vor ihm, ohne daß es wüßte der Sohn?
    Denn Jesus sah es so nicht. Er wußte nicht recht, was er sah. Aber ich – wenn es der Ägypter war, den ich trug und dem ich zur Flucht verhalf damals –, ich weiß, wer es war. Und sehe es so.
    Also ist es anders bei mir und wird anders gedeutet in mir, das Gesehene, von dem mir berichtet der Sohn.
    Und es ist daher auch, als werde mir es gezeigt, hier und heute, Schritt für Schritt: gezeigt durch den Sohn, der neben mir hergeht und mich miterfahren ließ die Bilder, die er erfuhr.
    Aber anders. Denn niemandem als mir erschienen sie so . Nicht dem Sohn. Und niemand als ich kann sie so deuten. Nicht der Sohn.
    Also ist es, als seien sie mir erschienen, die Bilder, von denen Jesus berichtet. Für mich. Hier und heute, auf dem Wege erfahren.
    Was also bedeutet es mir, daß der Ägypter, wenn es der Vater war, sich opferte dort vor dem Sohn?
    So dachte Joseph. Und ging unsicheren Schritts – je sicherer er wurde im Gang der Gedanken.
    Und, plötzlich, streckte den Arm nach dem Sohn, der neben ihm lief.
    Und Maria sah es. Und sah, daß er hingriff nicht, den Sohn an sich zu drücken nochmals. Sondern weil er sich stützen mußte, geschwächt und beschwert.
    Und der Stab, an dem Joseph sich hielt, glitt ihm aus kraftloser Hand.
    Bald darauf nachtlagerten sie bei Schechem in der Nähe des Jakobbrunnens. Und sie schliefen ein, alle drei, vom Wort und vom Wege erschöpft.
    Am Abend des dritten Tages aber, zurückkehrend über Ginae und ziehend durch Ofra, wo sich die Wege kreuzen im Tale Jesreel und der Tod Joschijas, der das Verlorene fand, westwärts liegt bei Megiddo – der Tod des von Gott verlassenen Sauls aber ostwärts, prophezeit in En-Dor –, erreichten sie bald darauf Nazaret und die Ihren.
    Und man empfing sie im Dorf und brachte den von der Reise Geschwächten zu essen. Und es versammelten sich viele und umstanden sie freudig, daß sie den Sproß Josephs wiedergefunden.
    Kapitel 37. Der Traum
    So sah Joseph wiedergefunden auch Nazaret. Sah sein Haus, seine Werkstatt, aus der er im Traum hatte aufsteigen sehen die Flammen, die warfen Brand hinauf gen Jerusalem.
    Und er erinnerte sich des Traums, darin, was er geschaffen, verbrannt war vor seinen Augen.
    Und Joseph, zurückgekehrt, legte seine Hand auf alles, was er nun wiedersah – das im Traum zu Asche Vernichtete –, und legte seine Hand auf das Unversehrte.
    Denn alles war unversehrt, als er kehrte zurück.
    Sacht ließ er die Finger nieder aufs Holz eines Pfostens, Pflugs, Tellers, Schafts einer Axt, eines Flechtwerks der Tür. Auch auf Dinge, die kaum bemerkt waren bisher, ließ er sie nieder.
    Und Joseph berührte das Verlorengesehene, weil es noch war.
    Auch verweilte an manchem die Hand, als striche sie ab aschige Spur. Und hielt den Gegenstand, hinstreichend darüber mit den Kuppen der Finger. Als sähe Joseph, wie Hülle daran, noch sengenden Staub, der blieb.
    Und Joseph blies drüberhin.
    Denn nach der Rückkehr empfand Joseph alles als wiedergefunden, und mit der Findung des Sohns das Leben als wiedergeschenkt.
    Und doch trug Joseph die Last des Gesehenen. Noch in der Freude, noch in der Unversehrtheit der Rückkehr lag sie bewahrt und wog schwer und ließ nicht von ihm.
    So daß Joseph schließlich empfand wie jener, der berichtete von einem Verstorbenen. Beschreibend hatte der längerhin festgehalten am Moment, da er den noch Lebenden zum letzten Male gesehen: Denn da habe beider Blick länger aufeinander gehalten und habe nicht nur der eine, auch der andere länger zurückgeblickt. Als wolle Ungesagtes noch sagen das Auge, eines dem andern. Denn es sei ihm gewesen beim letzten Mal, als hätten es beide gewußt, auch der Verstorbene, in der Längung des Augenblicks nämlich gewußt: daß sie aufeinander hinsahen überlang. Das aber, weil sie ahnten, nein, wußten: es ist das letzte Mal.
    So war’s in den Tagen nach seiner Rückkehr auch Joseph. Als stelle ihm einer sein Leben vor Augen, als sähen Dinge und Menschen ihn daraus an und als seh er zurück auf alle und alles: länger als sonst. Überlang. Denn ihm war, als sei es zum letzten Mal.
    Da kam jener Tage ein Traum. Bricht ein in Joseph des Nachts.
    Und ins Felsengeschlüft eines Bergs entrückt ihn der Traum.
    Und Joseph, bergaufwärts steigt er beschwerlich. Setzt mit Gefahr

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