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Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Titel: Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Roth
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gesucht. Schon am ersten Tag bin ich dort gewesen, habe den Vorhof der Heiden, die Höfe im Heiligtum selbst, die Hallen, die Stände und Winkel all abgesucht und dich nirgends gefunden. Wo also warst du?‹
    Da sprach Jesus, der neben ihm herlief zur Rechten:
    ›Du erinnerst dich, ich war bei euch, da zogen wir mit den andern hinaus aus der Stadt. Aber hin an den Ständen vorbei durch die Neustadt, hinaus zum Ephraimtor nahmen wir unseren Weg. Nicht wie heute, als wir durchs Gennattor kamen, dann den Weg an der Richtstätte vorbeizogen, eng an der Mauer entlang der Stadt.
    Da stand plötzlich vor mir das Bild, von dem wir gesprochen, noch als wir hinaufzogen zum Pessach.
    Denn da fragte ich dich, wie Joschija gefunden hatte das verlorene Buch und ob anderes noch verloren läge im Tempel.
    Das Bild aber, das mich hinzog zur Frage, war nicht: die verlorene Schriftrolle in ihrem Versteck.
    Sondern wie ein Befehl war’s, was ich sah. Als zöge mich eine Stimme zurück zum Tempel, Bestimmtheit, der ich gehorchen mußte. Als wäre sonst alles in großer Gefahr.
    Und da ich gewarnt war – ich sage ja: vorbereitet durch unser Gespräch –, lief ich eilends zur Stadt zurück.
    Eilend doch in der Absicht, zu sehen, wohin die Stimme mich weist. Und nicht: mich zu verlieren oder euch verlorenzugehen. Sondern – sobald ich gefunden, wozu sie bestimmt mich – zurückzueilen zu euch, den anderen nach, dich und die Mutter einzuholen vor Mittag.
    Und noch nicht, als ich lief durch die Stadt, noch nicht, als ich emporstieg die Treppen zum Vorhof des Tempels hinauf, doch dann vielleicht – ja, bei der Absperrung, die den Heiden den Zutritt verwehrt – : fiel mir auf, daß niemand mich ansieht.
    Denn dort, bei den Schranken, stieß ich an einen. Unachtsam, als ich mich umsah.
    Aber der, an den ich gestoßen unachtsam, ging weiter ohne ein Wort, als säh er mich nicht.‹
    Da antwortete Joseph dem Sohn: ›Wer wird schon beachten den Zwölfjährigen, den Jungen? Wenn es nicht seiner ist, den er sucht.‹
    Aber Jesus sprach: ›Schon beim Ephraimtor hätte’s mir auffallen müssen. Keiner der Unseren, die mit euch zogen, wandte sich um oder sah mich an, sobald mir das Bild von der Stimme vor Augen stand, die sprach:
    „Umkehren! Zum Tempel zurück!“
    Denn ich hatte euch nachgesehen, aber keiner, auch Jakobus nicht, mit dem ich noch eben gesprochen, blickte zurück.
    Mir fiel’s aber nicht auf. Denn da, bei der Kehre: gab’s nur die Stimme. Die rief mich.
    So also jetzt auch: Ich stieß an den Mann, ohne daß er mich ansah. Denn da: Ich stehe im Vorhof des Tempels, ich bin dabei, an der Balustrade vorbeizugehen, durchschreite den Vorhof der Frauen.
    Da standen welche, Mitglieder der Familie, bei der wir vor Tagen waren zu Gast. Die taten, als sähen sie mich nicht, oder sahen mich wirklich nicht. Ich grüßte und erhielt keine Antwort. Und lief an ihnen vorbei, ungesehen.
    Und stieg die Stufen hinauf in den Hof Israel, als brächte ich Opfer mit den anderen Männern.
    Dabei brachte ich nichts, nur den Wunsch, der Stimme zu folgen. Zu nahen dem Stimmenbild, das mir – wie ein Wunsch, den ich im Tiefsten ersehnt, nie aber zu entdecken, nie auszusprechen gewagt – deutlicher jetzt zusprach. Als ginge es mit mir zum Ziel.
    Und ohne daß sie mir irgend Beachtung schenkten, als zöge nur Windhauch an ihnen vorbei, schritt ich vorbei an den Tempelwachen. Hinauf zum großen, dem viergehörnten Altar.
    Und schritt zwischen Altar und Priestern hindurch, die zur Rechten zu schaffen sich machten an zusammensinkendem Opfertier.
    Und hinauf – allein war ich und kein Auge auf mir –, hinauf die Treppe zum Heiligtum selbst. Durch die Tore ins Innerste gar des Tempels.
    Und niemand hielt mich, niemand sprach dort mich an. Nur die Stimme. Die zog mich weiter:
    Vorbei an den Schaubroten, von denen die Schrift spricht. Am Goldenen Leuchter vorbei – denn ich ging langsam, aber ich hielt nicht. Vorbei am Räucheraltar.
    Ja, hinter den Vorhang trat ich, ins Allerheiligste tat ich den Schritt.
    Kniete hin, angekommen. Unendlich sicher zu Haus.‹
    Und Jesus, da er’s Joseph erzählt hatte, sah, daß der sich entsetzte. Denn erschrocken ergriff Joseph den Arm seines Sohns, als werde er schwach und wolle sich stützen.
    Aber Jesus fuhr fort und sprach:
    ›Ich war der Stimme gefolgt, Vater. Und dort schlief ich ein. Ich schlief, wie Samuel geschlafen.
    Aber als ich die Stimme hörte, die nach mir rief – da war’s, als riefe sie schon zum

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