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Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset

Titel: Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Drogan. »Sie hat ihn wie ein Baby behandelt … ›Bissu hungrig, Mieze? Mussu rausgehen und Pipi machen?‹ Abscheulich, wenn ein Drachen wie meine Schwester so redet. Ich glaube, dass er sie durch Miauen geweckt hat. Sie hat seine Schale geholt. Sie hat immer behauptet, Sam möge seine Friskies nur mit ein bisschen Milch angefeuchtet. Also wollte sie in die Küche runtergehen. Der Kater hat sich an ihren Beinen gerieben. Sie war alt, nicht mehr sehr standfest. Noch im Halbschlaf. Die beiden waren oben an der Treppe, und die Katze hat sich vorgedrängt … ihr ein Bein gestellt …«
    Ja, so könnte es gewesen sein, dachte Halston. Vor seinem inneren Auge sah er, wie die alte Frau – zu schockiert, um zu kreischen – vorwärts in die Luft hinausfiel. Es regnete Friskies, als sie Hals über Kopf die Treppe hinabstürzte, wobei die Schale zu Bruch ging. Zuletzt blieb sie am unteren Ende der Treppe liegen: ihre alten Knochen zersplittert, ihr Blick starr, das Blut quillt aus Ohren und Nase. Und die schnurrende Katze folgt ihr gemächlich die Treppe hinunter und mampft dabei zufrieden Friskies …
    »Was hat der Gerichtsmediziner gesagt?«, fragte er Drogan.
    »Tod durch Unfall, versteht sich. Aber ich wusste, was los war.«
    »Warum haben Sie die Katze nicht gleich damals weggegeben? Nachdem Amanda nicht mehr da war?«
    Weil Carolyn Broadmoor offenbar damit gedroht hatte, dann werde sie ausziehen. Sie war hysterisch, von diesem Thema besessen. Sie war eine kranke Frau und verrückt, was Spiritismus betraf. Ein Medium in Hartford hatte ihr erzählt (für lumpige zwanzig Dollar), Amandas Seele wohne nun in Sams Katzenleib. Sam sei jetzt Amanda, erklärte sie Drogan, und wenn Sam gehe, gehe auch sie .
    Halston, der zu einer Art Fachmann dafür geworden war, zwischen den Zeilen menschlicher Leben zu lesen, hatte den Verdacht, Drogan und die alte Broadmoor-Mieze seien einst ein Liebespaar gewesen und dem alten Knaben habe es widerstrebt, sie wegen einer Katze ziehen zu lassen.
    »Das wäre praktisch Selbstmord gewesen«, sagte Drogan. »In ihrer Vorstellung war sie noch immer eine reiche Frau, die jederzeit diese Katze mitnehmen und mit ihr nach New York oder London oder sogar Monte Carlo ziehen konnte. In Wirklichkeit war sie die Letzte einer großen Familie, die nach mehreren Fehlinvestitionen in den sechziger Jahren von ihren kümmerlichen Ersparnissen lebte. Sie hat hier im ersten Stock in einem speziell klimatisierten Zimmer mit stark erhöhter Luftfeuchtigkeit gewohnt. Die Frau war siebzig, Mr. Halston. Sie war bis zwei Jahre vor ihrem Tod eine starke Raucherin, und ihr Lungenemphysem war sehr schlimm. Ich wollte sie hier haben, und wenn die Katze bleiben musste …«
    Halston nickte und sah dann bedeutungsvoll auf seine Uhr.
    »Gegen Ende Juni ist sie in der Nacht gestorben. Für den Arzt war das anscheinend eine Selbstverständlichkeit … er ist einfach gekommen und hat den Totenschein ausgestellt, und das war’s dann. Aber die Katze war in ihrem Zimmer. Das hat Gage mir erzählt.«
    »Mann, irgendwann trifft’s jeden«, sagte Halston.
    »Natürlich. Das hat der Arzt auch gesagt. Aber ich hab’s gewusst. Mir ist’s wieder eingefallen. Katzen legen sich gern auf Babys und alte Menschen, wenn diese schlafen. Sie rauben ihnen den Atem.«
    »Ein Ammenmärchen.«
    »Das wie die meisten sogenannten Ammenmärchen auf Wahrheit beruht«, antwortete Drogan. »Also, Katzen kneten gern weiche Dinge mit den Pfoten. Ein Kissen, einen hochflorigen Bettvorleger … oder eben eine Bettdecke. Eine Decke in einem Gitterbett oder die Steppdecke eines alten Menschen. Ihr zusätzliches Gewicht auf jemandem, der ohnehin schon schwach ist …«
    Drogan sprach nicht weiter, und Halston dachte darüber nach. Carolyn Broadmoor schlief in ihrem Zimmer, ihre Atemzüge kamen rasselnd aus ihrer schwer geschädigten Lunge, das Geräusch ging fast im Flüstern der Klimaanlage und der speziellen Luftbefeuchter unter. Der Kater mit der seltsamen Zeichnung in Schwarz-weiß springt lautlos auf ihr altjüngferliches Bett und starrt ihr altes, von tiefen Falten durchzogenes Gesicht mit diesen funkelnden schwarz-grünen Augen an. Er kriecht auf ihre schmale Brust, lässt sich dort schnurrend mit seinem Gewicht nieder … und die Atmung wird langsamer … langsamer … und der Kater schnurrt, während die alte Frau allmählich unter dem Gewicht auf ihrer Brust erstickt.
    Halston war kein fantasievoller Mann, aber ihn gruselte ein

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