Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset
bisschen.
»Drogan«, sagte er, indem er weiter die schnurrende Katze streichelte. »Warum lassen Sie sie nicht einfach einschläfern? Ein Tierarzt würde sie für zwanzig Dollar vergasen.«
»Die Beerdigung war am ersten Juli«, sagte der Drogan. »Ich habe Carolyn in unserem Familiengrab neben meiner Schwester beisetzen lassen.Wie sie sich’s gewünscht hätte. Am dritten Juli habe ich Gage in dieses Zimmer gerufen und ihm einen Weidenkorb gegeben … eine Art Picknickkorb mit Deckel. Sie verstehen?«
Halston nickte.
»Ich habe ihn angewiesen, die Katze hineinzusetzen und zu einem Tierarzt in Milford zu fahren, um sie dort einschläfern zu lassen. ›Ja, Sir‹, hat er gesagt, hat den Korb genommen und ist hinausgegangen. Typisch für ihn. Ich habe ihn nicht lebend wiedergesehen. Auf der Schnellstraße hat’s einen Unfall gegeben. Der Lincoln ist mit über sechzig Meilen in der Stunde gegen einen Brückenpfeiler gefahren. Dick Gage war sofort tot. Als er aufgefunden wurde, war sein Gesicht zerkratzt.«
Halston schwieg, während in seinem Gehirn wieder ein Bild davon entstand, wie es gewesen sein könnte. In dem Zimmer war es bis auf das friedliche Knistern des Kaminfeuers und das friedliche Schnurren der Katze auf seinem Schoß still. Mit dem Kater am Kaminfeuer hätte er eine gute Illustration zu diesem Gedicht von Edgar Guest abgegeben, in dem es heißt: »Die Katze auf dem Schoß, im Kamin ein Feuer glimmt/… Ein glücklicher Mensch, wie man’s auch nimmt.«
Dick Gage, der mit dem Lincoln auf der Schnellstraße nach Milford unterwegs war, ungefähr fünf Meilen schneller als zulässig. Neben ihm der Weidenkorb … eine Art Picknickkorb mit Deckel. Der Fahrer konzentriert sich auf den Verkehr, vielleicht überholt er gerade einen großen Sattelschlepper, und bemerkt das eigenartige Schwarz-Weiß-Gesicht nicht, das aus einer Seite des Korbs gesteckt wird. Auf der Fahrerseite. Er bemerkt es nicht, weil er den großen Sattelschlepper überholt, und im nächsten Augenblick springt die Katze ihm ins Gesicht, fauchend und kratzend, ihre Krallen bohren sich in ein Auge, schlitzen es auf, lassen es auslaufen, blenden es. Sechzig Sachen, während der große Motor des Lincolns summt, und die andere Pfote ist über den Nasensattel gehakt, gräbt sich mit intensiven, vernichtenden Schmerzen ein … vielleicht beginnt der Lincoln nach rechts auf die Spur des Sattelschleppers zu driften, und seine Druckluftfanfare warnt ohrenbetäubend laut, aber Gage kann sie nicht hören, weil die Katze jault, sie bedeckt sein Gesicht wie eine riesige pelzige schwarze Spinne: Ihre Ohren sind nach hinten angelegt, die grünen Augen leuchten wie Scheinwerfer aus der Hölle, ihre Hinterläufe graben sich nervös zitternd in das weiche Fleisch unter dem Kinn des Alten. Der Wagen schleudert wild schlingernd auf die andere Seite. Der Brückenpfeiler ragt vor ihm auf. Die Katze springt zu Boden, und der Lincoln, ein glänzender schwarzer Torpedo, knallt an den Pfeiler und geht wie eine Bombe hoch.
Halston schluckte angestrengt und hörte ein trockenes Klicken in der Kehle.
»Und die Katze ist zurückgekommen?«
Drogan nickte. »Eine Woche später. Übrigens an dem Tag, an dem Dick Gage beerdigt wurde. Genau wie es in dem alten Lied heißt. Die Katze ist zurückgekommen.«
»Sie hat einen Frontalcrash bei sechzig überlebt? Schwer zu glauben.«
»Angeblich hat jede neun Leben. Als sie zurückgekommen ist … da habe ich angefangen, mich zu fragen: Ist sie nicht vielleicht eine … eine …«
»Höllenkatze?«, schlug Halston leise vor.
»In Ermangelung eines besseren Worts, ja. Eine Art Dämon, der hergeschickt worden ist …«
»Um Sie zu bestrafen.«
»Wer weiß. Aber ich habe Angst vor ihr. Ich füttere sie – oder vielmehr tut das meine Haushälterin, die jeden Tag kommt. Sie mag sie auch nicht. Sie sagt, ihr Gesicht sei ein Fluch Gottes. Aber natürlich stammt sie von hier.« Der Alte bemühte sich zu lächeln, was ihm aber nicht gelang. »Ich will, dass Sie sie beseitigen. Ich lebe nun schon vier Monate mit ihr zusammen. Sie streicht mürrisch im Schatten umher. Sie beobachtet mich. Sie scheint … auf ihre Chance zu warten. Ich sperre mich jede Nacht in meinem Zimmer ein und frage mich trotzdem, ob ich eines frühen Morgens aufwachen und sie … schnurrend auf meiner Brust zusammengerollt vorfinden werde.«
Draußen klagte der Wind wie eine verlorene Seele und erzeugte in dem steinernen Kamin ein seltsames
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