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Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset

Titel: Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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war. Und … Pscht, Liebes . Das konnte nur er sein.
    Er ist verstummt, als wollte er ihr Zeit lassen, ihre eigenen Schlüsse zu ziehen. Doch ehe sie wieder zum Sprechen ansetzen kann, piept es in der Leitung.
    »James? Jimmy? Bist du noch da?«
    »Ja, aber ich kann nicht lange reden. Ich hab versucht, dich anzurufen, als wir abgestürzt sind, und das ist wohl auch der Grund, weshalb ich überhaupt durchgekommen bin.Viele andere haben es auch versucht, hier wimmelt’s ja von Handys, aber die hatten kein Glück.« Wieder dieser Piepser. »Nur ist mein Akku jetzt gleich leer.«
    »Jimmy, hast du es gewusst?« Dieser Gedanke hatte sie am meisten gequält – dass er es gewusst haben könnte, selbst nur für ein, zwei endlose Minuten. Andere stellten sich vielleicht verbrannte Leiber oder abgetrennte Köpfe mit grinsenden Zähnen vor, oder fingerfertige Unfallhelfer beim Entwenden von Eheringen und Diamantohrringen, doch was Annie Driscoll um den Schlaf brachte, war die Vorstellung, wie Jimmy aus dem Fenster sah, während die Straßen und Autos und die braunen Mietshäuser von Brooklyn immer näher kamen. Die nutzlosen Atemmasken, die wie kleine gelbe Tierkadaver herunterschlackerten. Die plötzlich aufklappenden Gepäckfächer, herumfliegenden Reisetaschen und Aktenkoffer, irgendjemandes Rasierapparat, der den schrägen Mittelgang hinaufrollte.
    »Hast du gewusst, dass ihr am Abstürzen wart?«
    »Nicht so richtig«, sagt er. »Bis ganz zum Schluss schien alles in Ordnung zu sein – vielleicht bis auf die letzten dreißig Sekunden. Obwohl es mir immer so vorkommt, als ob man in solchen Situationen leicht das Zeitgefühl verliert.«
    In solchen Situationen. Und noch merkwürdiger: Es kommt mir immer so vor. Als hätte er schon ein halbes Dutzend Flugzeugabstürze erlebt anstatt nur diesen einen mit der 767.
    »Jedenfalls«, fährt er fort, »habe ich nur schnell anrufen wollen, um zu sagen, dass wir früher als vorgesehen ankommen, damit du noch rechtzeitig den Paketboten aus dem Bett werfen kannst.«
    Ihre alberne Schwäche für den FedEx-Mann ist seit Jahren ein Anlass für Frotzeleien zwischen ihnen. Sie fängt wieder an zu weinen. Sein Handy lässt noch einmal diesen grellen Piepser ertönen, als tadelte es sie dafür.
    »Ich glaube, ich bin gestorben, kurz bevor es anfing zu klingeln, deshalb ist es mir dann noch gelungen, zu dir durchzukommen. Aber das Ding wird jetzt ziemlich bald den Geist aufgeben.«
    Er gluckst, als ob das witzig wäre. Mag ja auch sein, in gewisser Weise.Vielleicht wird sie es irgendwann selbst mal komisch finden. Gib mir zehn Jahre oder so, denkt sie.
    Dann, in diesem grüblerischen Ton, den sie so gut kennt: »Warum nur habe ich das dämliche Ding gestern Abend nicht geladen? Hab’s vergessen, einfach vergessen.«
    »James … Liebling … das Flugzeug ist vor zwei Tagen abgestürzt.«
    Schweigen. Gnädigerweise ohne Piepser. Dann: »Ach wirklich? Mrs. Corey meinte, dass die Zeit hier verdreht ist. Manche von uns haben ihr zugestimmt, manche widersprochen. Ich war bei Letzteren, aber anscheinend hatte sie Recht.«
    »Herz verliert?«, fragt Annie. Sie fühlt sich jetzt, als würde sie außerhalb ihres fülligen, feuchten, angejahrten Körpers schweben, aber Jimmys alte Gewohnheiten hat sie nicht vergessen. Auf langen Flügen hatte er immer nach einer Gelegenheit zu einem Spielchen gesucht. Cribbage oder Canasta mochten als Zeitvertreib genügen, aber Herz verliert war seine Leidenschaft.
    »Herz verliert«, stimmt er zu.Wie zur Bekräftigung piept das Handy wieder.
    »Jimmy …« Sie zögert, weil sie unschlüssig ist, ob sie es wirklich wissen möchte, ringt sich dann aber doch zu der Frage durch. »Wo bist du genau?«
    »Sieht aus wie Grand Central Station«, sagt er. »Nur größer. Und leerer. Als ob es nicht der wirkliche Bahnhof ist, sondern nur … hmmm … eine Filmkulisse.Verstehst du, was ich meine?«
    »Ich … ich glaub schon.«
    »Jedenfalls gibt es keine Züge... und wir hören auch keine in der Ferne … aber es gibt Türen nach allen Seiten.Ah ja, und eine Rolltreppe, aber die ist außer Betrieb, ganz staubig, und manche der Stufen sind kaputt.« Er senkt die Stimme, als wollte er vermeiden, dass man ihn belauscht. »Die Leute gehen weg. Manche sind die Rolltreppe raufgestiegen – ich hab sie gesehen -, aber die meisten benutzen die Türen. Ich werde wohl auch gehen müssen. Es gibt nichts zu essen hier. Nur einen Bonbonautomaten, aber der ist auch kaputt.«
    »Hast du

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