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Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset

Titel: Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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hören. Und Ellie dachte, du hättest irgendwas gerufen.«
    »Alles okay!«, ruft sie und wischt sich noch einmal mit dem Handtuch übers Gesicht. »Ich komm gleich runter!«
    »Gut. Lass dir Zeit.« Schweigen. »Wir sind für dich da.« Dann tappt er davon.
    »Piep«, flüstert sie und hält sich den Mund zu, um das Lachen zurückzuhalten, mit dem irgendeine noch komplexere Emotion als Trauer sich bahnzubrechen versucht. »Piep, piep. Piep, piep, piep.« Prustend lässt sie sich aufs Bett zurückfallen, und über ihren gewölbten Händen sind ihre Augen groß und laufen über vor Tränen, die ihr die Wangen hinab bis zu den Ohren rinnen. »Blödes Piep-piepedi-piep.«
    Sie lacht noch eine ganze Weile, dann zieht sie sich an und geht nach unten, um ihren Verwandten, die hergekommen sind, um ihre Trauer mit ihr zu teilen, Gesellschaft zu leisten. Aber sie kommen ihr fremd vor, weil er keinen von ihnen angerufen hat. Er hat sie angerufen. In guten wie in schlechten Zeiten, er hat sie angerufen.
     
    Im Herbst jenes Jahres, als die verrußten Überreste des Mietshauses, in das das Flugzeug gestürzt ist, noch mit gelbem Polizeiabsperrband vom Rest der Welt abgeriegelt sind (obwohl schon Sprayer drin waren und den Spruch LANDEPLATZ FÜR KNUSPRIGE KREATUREN hinterlassen haben), erhält Annie eine von der Sorte Endlos-E-Mails, die Computersüchtige stets an einen weiten Bekanntenkreis verschicken. Sie kommt in diesem Fall von Gert Fischer, der Stadtbibliothekarin in Tilton, Vermont. Als Annie und James dort die Sommer verbrachten, half Annie gewöhnlich in der Bücherei aus, und obwohl die beiden Frauen nie sonderlich gut miteinander auskamen, hat Gert Annie seitdem in ihre vierteljährlichen Rundmail-Updates eingeschlossen. Die Neuigkeiten sind meist nicht besonders interessant, doch auf halbem Wege durch die Hochzeiten, Beerdigungen und Gewinner der Jugendzentrumsturniere stößt Annie diesmal auf eine Nachricht, die ihr den Atem verschlägt. Jason McCormack, der Sohn von Hughie McCormack, ist am Labor Day tödlich verunglückt. Er ist beim Säubern der Regenrinnen vom Dach eines Sommerhauses gefallen und hat sich das Genick gebrochen.
    »Er wollte nur seinem Vater helfen, der, wie ihr euch vielleicht erinnert, vorletztes Jahr einen Schlaganfall hatte«, schrieb Gert, bevor sie damit fortfuhr, wie es beim Flohmarkt zum Sommerende gegossen hat, und wie enttäuscht sie alle waren.
    Zwar erwähnt Gert es in ihrem Dreiseitenkonvolut mit Eilmeldungen nicht, aber Annie ist sich sicher, dass Jason von dem Dach ihres damaligen Hauses gefallen ist.Todsicher, sozusagen.
     
    Fünf Jahre nach dem Tod ihres Mannes (und dem Tod Jason McCormacks bald darauf) heiratet Annie wieder. Und obwohl sie nach Boca Raton ziehen, kehrt sie oft in die alte Nachbarschaft zurück. Craig, der neue Ehemann, ist nur im Vorruhestand, und seine Geschäfte führen ihn alle drei, vier Monate nach New York. Annie begleitet ihn fast jedes Mal, weil sie noch Verwandtschaft in Brooklyn und Long Island hat. Irgendwie manchmal mehr, als ihr lieb ist. Aber sie hängt mit der leicht genervten Zuneigung an ihnen, die, wie sie findet, so typisch für Leute um die sechzig ist. Nie vergisst sie, wie sie sich um sie geschart haben, nachdem James’ Flugzeug abgestürzt war, und sie nach Kräften gestützt haben, damit sie nicht auch noch zusammenbrach.
    Wenn sie und Craig nach New York zurückkehren, fliegen sie. In dieser Sache hat sie keine Bedenken, aber sonntags geht sie nicht mehr zu Zoltan’s Backstube, obwohl deren Rosinenbagels zweifelsohne im Vorhof des Paradieses serviert werden. Stattdessen geht sie zu Froger’s. Als sie dort gerade Donuts kauft (die Donuts sind wenigstens halbwegs genießbar), hört sie den Knall der Explosion. Sie hört ihn ganz deutlich, obwohl Zoltan’s elf Blocks entfernt liegt. Eine Gasexplosion, bei der vier Leute sterben, auch die Frau, die Annie die Bagels immer in einer fest zugekrempelten Tüte mit den Worten reichte: »Lassen Sie sie so, bis Sie zu Hause sind, sonst geht die Frische flöten.«
    Leute stehen auf den Gehsteigen und spähen, die Augen mit den Händen abschirmend, nach Osten zu dem aufsteigenden Rauch hinüber. Annie hastet mit gesenktem Kopf an ihnen vorbei. Sie will keine Rauchwolke nach einem großen Knall sehen; sie denkt ohnehin schon genug an James, vor allem in den Nächten, wenn sie nicht schlafen kann.Als sie heimkommt, hört sie drinnen das Telefon klingeln. Entweder sind sie alle zu der

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