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Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset

Titel: Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Krähenschwarm auf.
    Die Katze zwängte sich durch das Loch heraus und streckte sich mit obszöner Trägheit.
    Dann sprang sie zum offenen Fenster hinaus. Reuss sah sie durchs hohe abgestorbene Gras flitzen, und dann war sie verschwunden.
    Die hat’s anscheinend eilig gehabt, erklärte er später einem Lokalreporter.
    Als hätte sie noch etwas zu erledigen.
     
    AUS DEM AMERIKANISCHEN VON WULF BERGNER

DIE NEW YORK TIMES ZUM VORZUGSPREIS
    Sie kommt gerade aus der Dusche, als das Telefon klingelt, doch obwohl das Haus noch voller Verwandter ist – sie kann sie unten hören, irgendwie wollen sie nicht mehr weggehen, irgendwie waren es noch nie so viele -, reagiert keiner. Auch der Anrufbeantworter nicht, den James darauf programmiert hat, sich nach dem fünften Läuten einzuschalten.
    Anne geht zu dem Apparat auf dem Nachttisch, während sie sich ins Handtuch wickelt und das nasse Haar ihr unangenehm auf den Nacken und die bloßen Schultern klatscht. Sie hebt ab und sagt Hallo, und dann sagt er ihren Namen. Es ist James. Sie waren dreißig Jahre zusammen, und ein Wort ist alles, was es braucht. Er sagt Annie wie kein anderer, das war schon immer so.
    Einen Moment lang kann sie nicht sprechen oder auch nur Luft holen. Er hat sie beim Ausatmen überrascht, und ihre Lunge fühlt sich so flach an wie ein Blatt Papier. Als er ihren Namen dann wiederholt (wobei er ungewöhnlich zögerlich und unsicher klingt), geben die Beine unter ihr nach, als wären sie aus Sand. Sie sinkt aufs Bett, das Handtuch fällt herab, und ihr nasser Hintern feuchtet das Laken unter ihr an. Wäre das Bett nicht da gewesen, wäre sie zu Boden gegangen.
    Ihre Zähne schlagen aufeinander, und das bringt sie wieder zum Atmen.
    »James? Wo bist du? Was ist passiert?« In ihrer normalen Stimmlage hätte das vielleicht zänkisch geklungen – wie eine Mutter, die ihren Elfjährigen ausschimpft, weil er schon wieder zu spät zum Abendessen kommt -, doch jetzt bringt sie nur eine Art entsetztes Krächzen heraus. Schließlich planen die murmelnden Verwandten unten gerade sein Begräbnis.
    James gluckst. Er klingt verdutzt. »Tja, um ehrlich zu sein«, sagt er, »ich weiß nicht genau, wo ich bin.«
    Ihr erster verwirrter Gedanke ist, dass er das Flugzeug in London verpasst haben muss, obwohl er sie noch kurz vor dem Abflug aus Heathrow angerufen hat. Dann fällt ihr eine bessere Erklärung ein: Obgleich es sowohl in der Times als auch in den Fernsehnachrichten hieß, dass es keine Überlebenden gab, hat es zumindest einen gegeben. Ihr Mann ist aus dem brennenden Wrack gekrochen (und dem brennenden Mietshaus, wohlgemerkt, das beim Absturz getroffen wurde, vierundzwanzig weitere Tote am Boden, und die Zahl erhöhte sich wahrscheinlich noch, bevor die Welt zum nächsten tragischen Ereignis überging) und irrt seitdem im Schockzustand durch Brooklyn.
    »Jimmy, bist du verletzt? Hast du … Verbrennungen?« Was das bedeutet, wird ihr erst nach der Frage bewusst, trifft sie mit dem Gewicht eines schweren Buchs, das auf einen nackten Fuß fällt, und sie fängt an zu weinen. »Bist du im Krankenhaus?«
    »Pscht«, sagt er, und angesichts seiner vertrauten Liebenswürdigkeit – angesichts dieses vertrauten Wortes, das nur eine winzige Facette ihres Ehealltags ist – fängt sie nun erst recht an zu weinen. »Pscht, Liebes.«
    »Aber ich versteh das alles nicht!«
    »Ich bin wohlauf«, sagt er. »Wie die meisten von uns.«
    »Die meisten …? Sind da noch andere?«
    »Der Pilot nicht«, sagt er. »Dem geht’s nicht so gut.Vielleicht ist es auch der Copilot. Der schreit dauernd: ›Wir stürzen ab, es gibt keinen Schub, o mein Gott.‹ Und dann: ›Ich kann nichts dafür, mir kann keiner die Schuld geben.‹ Das sagt er auch noch.«
    Ihr wird eiskalt. »Wer sind Sie in Wirklichkeit? Warum sind Sie so gemein? Ich habe gerade meinen Mann verloren, Sie Arschloch!«
    »Liebes …«
    »Nennen Sie mich nicht so!« Ein Schnodderfaden hängt ihr von der Nase. Sie wischt ihn mit dem Handrücken ab und schleudert ihn irgendwohin, etwas, was sie seit ihrer Kindheit nicht mehr getan hat. »Hören Sie, Mister – ich lasse den Anruf registrieren, und dann kriegt die Polizei Sie am Arsch, Ihrem ignoranten, gefühllosen Arsch …«
    Sie kann nicht weitersprechen. Es ist seine Stimme. Das lässt sich nicht leugnen. Schon dieses Durchklingeln – dass unten keiner dranging und dass der Anrufbeantworter nicht ansprang – deutet darauf hin, dass dieser Anruf nur für sie bestimmt

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