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Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset

Titel: Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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… Liebling, hast du denn Hunger?«
    »Ein bisschen. Vor allem hätte ich gern Wasser. Ich könnte für eine kalte Flasche Dasani töten.«
    Annie blickt schuldbewusst auf ihre Beine hinab, die noch mit Wassertropfen benetzt sind. Sie stellt sich vor, wie er die Tropfen ableckt, und spürt entsetzt ein leises sexuelles Kribbeln.
    »Na ja, macht nichts«, setzt er eilig hinzu. »Vorerst geht’s noch. Aber es hat keinen Zweck hierzubleiben. Das Dumme ist nur …«
    »Was? Was, Jimmy?«
    »Ich weiß nicht, welche Tür ich nehmen soll.«
    Wieder ein Piepser.
    »Wenn ich doch nur wüsste, welche Tür Mrs. Corey genommen hat. Sie hat meine verdammten Karten.«
    »Hast du …« Sie wischt sich das Gesicht mit dem Handtuch ab, das sie aus der Dusche mitgenommen hat; da war sie noch taufrisch, jetzt ist sie in Rotz und Tränen aufgelöst. »Hast du Angst?«
    »Angst?«, fragt er nachdenklich. »Nein. Ich bin nur ein bisschen unruhig, vor allem weil ich nicht weiß, welche Tür ich nehmen soll.«
    Finde nach Hause, hätte sie fast gesagt. Finde die richtige Tür und finde nach Hause. Aber wenn er es täte, würde sie ihn wirklich sehen wollen? Ein Geist würde ja noch angehen, aber was, wenn es eine verkohlte Mumie mit roten Augen und eingeschmolzenen Jeansfetzen (auf Reisen trug er immer Jeans) an den Beinen wäre? Was, wenn Mrs. Corey bei ihm wäre, die zusammengebackenen Karten in der verkrümmten Klaue?
    Piep.
    »Jetzt brauch ich dir nicht mehr zu sagen, dass du dich mit dem Paketboten vorsehen sollst«, sagt er. »Wenn du ihn wirklich willst, kannst du ihn haben.«
    Entsetzt hört sie sich lachen.
    »Aber ich wollte dir noch sagen, dass ich dich liebe …«
    »Ach, Liebling, ich dich auch …«
    »… und lass diesen Herbst den kleinen McCormack nicht die Dachrinnen ausputzen, er tut seine Arbeit zwar gut, ist aber unvorsichtig, letztes Jahr hat er sich fast das Genick gebrochen. Und geh sonntags nicht mehr in die Bäckerei. Irgendwas passiert da demnächst, ich weiß, dass es an einem Sonntag sein wird, allerdings nicht an welchem. Die Zeit ist hier wirklich verdreht.«
    Der kleine McCormack, den er meint, muss der Sohn von ihrem Gärtner in Vermont sein … nur haben sie das Haus schon vor zehn Jahren verkauft, und der Junge dürfte jetzt Mitte zwanzig sein. Und die Bäckerei? Wahrscheinlich meint er Zoltan’s, aber was in aller Welt …
    Piep.
    »Manche Leute hier sind welche vom Boden, glaube ich. Echt hart für die, weil sie keine Ahnung haben, wie sie hierhergeraten sind. Und der Pilot hört nicht auf zu schreien.Vielleicht ist’s auch der Copilot. Der wird wohl noch eine ganze Weile hier herumwandern. Er ist ziemlich verwirrt.«
    Die Piepser erfolgen jetzt in kürzeren Abständen.
    »Ich muss los, Annie. Ich kann hier nicht bleiben, und das Handy ist sowieso gleich platt.« In jenem vertrauten grüblerischen Ton (unmöglich zu glauben, dass sie ihn nie wieder hören wird; unmöglich, es nicht zu glauben) murmelt er: »Es wäre so leicht gewesen, einfach nur … Na ja, ist egal. Ich liebe dich, Schatz.«
    »Warte! Leg nicht auf!«
    »Ich k…«
    »Ich liebe dich auch! Leg nicht auf!«
    Aber es ist schon geschehen. In ihrem Ohr gähnt nur noch schwarze Stille.
    Mindestens eine Minute sitzt sie da und lauscht in die tote Leitung, dann unterbricht sie die Verbindung. Die Nicht-Verbindung. Als sie den Hörer wieder abnimmt und ein ganz normales Freizeichen bekommt, tippt sie doch noch Stern neunundsechzig zur automatischen Anruferabfrage. Der Computerstimme zufolge ist der letzte Anruf um neun Uhr morgens eingegangen. Sie weiß, wer das war: ihre Schwester Nell aus New Mexico. Nell hat angerufen, um zu sagen, dass ihr Flug Verspätung hat und sie erst heute Abend da sein wird. Nell hat ihr viel Kraft gewünscht.
    Alle Verwandten, die weiter weg wohnen – die von James, die von Annie -, sind mit dem Flugzeug gekommen. Anscheinend glauben sie, dass James alles Unglückspotenzial der Familie aufgebraucht hat, vorerst zumindest.
    Ein Anruf um – sie blickt auf die Nachttischuhr, die 15:17 anzeigt – etwa zehn nach drei an diesem dritten Nachmittag ihrer Witwenschaft ist nicht registriert.
    Jemand klopft kurz an die Tür, und ihr Bruder ruft: »Anne? Annie?«
    »Ich bin gerade beim Anziehen!«, ruft sie zurück. Ihre Stimme klingt verweint, aber leider würde keiner im Haus das verwunderlich finden. »Bitte draußen bleiben!«
    »Alles in Ordnung?«, ruft er durch die Tür. »Wir dachten, wir hätten dich reden

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