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Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset

Titel: Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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außer dem Ahornstuhl, an den sie gefesselt war) – aber sie war auf 9:15 stehengeblieben.Vermutlich war die Batterie leer.
    Sie versuchte, stillzusitzen und bis dreißig zu zählen (mit einem Freundliche Tante nach jeder Zahl), hielt es aber nur bis siebzehn aus. Dann spannte sie die Muskeln wieder an und presste die Füße mit aller Kraft gegen den Boden. Diesmal war das saugende Geräusch gleich zu hören, und lauter. Sie fühlte, wie der Stuhl abhob . Nur ein bisschen, aber er bewegte sich eindeutig.
    Em presste, was sie nur konnte, den Kopf zurückgeworfen, die Zähne gebleckt, während ihr das Blut übers Kinn rann. Die Sehnen an ihrem Hals traten hervor. Das saugende Geräusch wurde immer lauter, und jetzt hörte sie auch noch ein leises Reißen.
    Ein heißer Schmerz schoss ihr plötzlich durch die rechte Wade. Fast hätte Em dennoch weitergepresst – es ging schließlich um ihr Leben -, aber dann entspannte sie sich wieder in ihren Fesseln und schnappte nach Luft. Und zählte.
    »Eins, freundliche Tante. Zwei, freundliche Tante. Drei … «
    Weil sie den Stuhl wahrscheinlich trotz der warnenden Verkrampfung vom Boden lösen konnte. Sie war sich fast sicher, dass es ihr gelingen würde. Doch wenn sie sich dafür einen Wadenkrampf einhandelte (sie hatte öfter schon welche gehabt; manchmal so heftig, dass der Muskel sich wie ein Stein anfühlte), würde sie mehr Zeit verlieren, als sie gewann. Und noch immer an den verdammten Stuhl gefesselt sein. Festgeklebt an dem verdammten Stuhl.
    Sie wusste, dass die Uhr an der Wand nicht ging, sah aber trotzdem hin. Es war ein Reflex. Noch immer 9:15. Ob er schon an der Zugbrücke war? Plötzlich überkam sie eine wilde Hoffnung: Deke würde die Warnsirene einschalten und ihn verscheuchen. War so etwas möglich? Vielleicht schon. Pickering war wie eine Hyäne, nur gefährlich, wenn er sicher war, dass er die Oberhand behielt. Und, vermutlich wie eine Hyäne, unfähig sich vorzustellen, einmal nicht die Oberhand zu behalten.
    Sie horchte. Sie hörte Donner und stetig rauschenden Regen, aber nicht das Jaulen der Sirene, die neben dem Wärterhäuschen montiert war.
    Wieder versuchte sie, den Stuhl vom Boden zu ziehen, und wurde beinah kopfüber gegen den Herd katapultiert, als er sich mit einem Ruck löste. Sie schwankte, kippte fast um und suchte Halt am Küchenblock in der Mitte des Raums. Ihr Herz schlug jetzt so rasend, dass sie die einzelnen Schläge nicht mehr spürte; es fühlte sich wie ein stetiges Dröhnen in der Brust und in der Kehle an. Wenn sie umgekippt wäre, hätte sie wie eine Schildkröte auf dem Rücken gelegen. Sie hätte keine Chance mehr gehabt, je wieder hochzukommen.
    Schon gut, dachte sie. Ist ja nicht passiert.
    Nein. Aber sie konnte sich trotzdem dort liegen sehen, und zwar mit höllischer Klarheit. Dort liegen, mit der Blutspur von Nicoles Haar zur Gesellschaft. Dort liegen und darauf warten, dass Pickering wiederkam und seinen Spaß mit ihr hatte, bevor er ihr Leben beendete. Und wann würde er zurück sein? In sieben Minuten? Fünf? Nur drei?
    Sie sah auf die Uhr. Es war 9:15.
    Sie stand vornübergebeugt am Küchenblock und rang nach Luft, eine Frau, der ein Stuhl aus dem Rücken wuchs. Das Fleischermesser lag zum Greifen nah, doch mit den an die Armlehnen gefesselten Händen konnte sie es nicht erreichen. Und selbst wenn sie es hätte greifen können, was dann? Weiter so gebückt dastehen, mit dem Messer in der Hand? Sie konnte ja trotzdem nichts damit zerschneiden.
    Sie blickte zum Herd und fragte sich, ob sie wohl eine der Gasflammen einschalten könnte. Wenn ihr das gelänge, dann vielleicht …
    Wieder befiel sie eine höllischen Vision: wie sie versuchte, das Klebeband durchzubrennen, und dabei selbst Feuer fing. Das wollte sie nicht riskieren. Hätte ihr jemand Pillen (oder sogar eine Kugel in den Kopf) angeboten, um der Aussicht auf Vergewaltigung, Folter und Tod zu entgehen – und sicher wäre es ein langsamer Tod, dem unsägliche Verstümmelungen vorangehen würden -, dann hätte sie sich wohl über die mahnende Stimme ihresVaters hinweggesetzt (»Nie aufgeben, Emmy, irgendwas Gutes findet sich immer hinter der nächsten Ecke«) und das Angebot angenommen. Aber Verbrennungen dritten Grades am ganzen Oberkörper riskieren? Halb geröstet am Boden liegen und warten, dass Pickering wiederkam, beten, dass er wiederkam und sie von ihrem Elend erlöste?
    Nein. Das würde sie nicht tun. Aber was blieb ihr dann? Sie fühlte, wie die Zeit

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