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Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset

Titel: Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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zusehends verflog. Die Uhr an der Wand zeigte immer noch 9:15, aber ihr war, als hätte das Regenrauschen nachgelassen. Der Gedanke erfüllte sie mit Entsetzen. Sie drängte ihn zurück. Panik war todbringend.
    Messer und Herd kamen also nicht infrage. Was blieb ihr dann noch?
    Die Antwort war offensichtlich.Was ihr blieb, war der Stuhl. Es gab sonst keine in der Küche, nur drei Barhocker. Den Stuhl hatte er wohl aus einem Esszimmer mitgebracht, das sie nie zu sehen hoffte. Hatte er auch andere Frauen – andere »Nichten« – an schwere Ahornstühle gefesselt, die zu einem Esstisch gehörten? Vielleicht genau an diesen hier? Tief im Innersten war sie davon überzeugt. Und er verließ sich auf ihn, obwohl er aus Holz statt aus Metall war.Was einmal funktioniert hatte, musste wieder funktionieren; bestimmt dachte er auch in dieser Hinsicht wie eine Hyäne.
    Sie musste das Gefängnis zerstören, das sie gefesselt hielt. Es war die einzige Lösung, und sie hatte nur noch Minuten, um den Plan auszuführen.

7
Es wird wahrscheinlich wehtun.
    Sie stand dicht am Küchenblock, aber die Kante der Arbeitsfläche ragte etwas heraus, und sie traute ihr nicht. Sie wollte sich nicht davon wegbewegen – wollte nicht riskieren, hinzufallen und zu einer Schildkröte zu werden -, aber sie brauchte eine breitere Oberfläche als diese vorstehende Kante, um den Stuhl zu zerschlagen. Also machte sie sich auf zum Kühlschrank, der auch aus Edelstahl war … und riesengroß. So viel Schlagfläche, wie man sich nur wünschen konnte.
    Gebückt rutschte sie voran; mit dem hinderlichen Stuhl am Rücken ging es entsetzlich langsam. Es war, als ob sie mit einem fest am Körper anliegenden Sarg laufen wollte. Und es würde ihr Sarg sein, falls sie hinfiel. Oder falls sie ihn immer noch erfolglos gegen die Kühlschranktür schlug, wenn der Herr des Hauses zurückkam.
    Einmal strauchelte sie und wäre fast gefallen – aufs Gesicht -, schaffte es aber gerade noch, die Balance zu halten, durch pure Willenskraft, wie ihr schien. Der Schmerz in ihrer Wade kehrte wieder, drohte abermals, zum Krampf zu werden und ihr rechtes Bein außer Gefecht zu setzen. Sie nahm sich zusammen und drängte den Schmerz mit geschlossenen Augen mühsam zurück. Der Schweiß lief ihr übers Gesicht, spülte getrocknete Tränen ab, die geweint zu haben sie sich nicht erinnerte.
    Wie viel Zeit verging darüber? Wie viel? Der Regen hatte weiter nachgelassen. Bald würde sie es draußen nur noch tropfen hören. Vielleicht leistete Deke ja Gegenwehr. Vielleicht hatte er sogar eine Pistole in der Schublade seines vollgemüllten alten Schreibtischs und hatte Pickering erschossen, wie man einen tollwütigen Hund abknallt.Würde sie hier drinnen einen Schuss hören? Wohl kaum; der Wind heulte noch immer ums Haus. Wahrscheinlich würde Pickering – zwanzig Jahre jünger als Deke und offensichtlich in Form – Deke die Waffe abnehmen, falls er denn eine zückte, und sie gegen den alten Mann einsetzen.
    Sie versuchte, all diese Gedanken wegzufegen, aber es war schwer, auch wenn sie nutzlos waren. Sie rutschte vorwärts, die Augen noch immer geschlossen, das blasse, verschwollene Gesicht verkniffen vor Anstrengung. Ein Hühnertapser, zwei Hühnertapser. Kaiser, wie viele Schritte darf ich gehen? Schon beim vierten kleinen Schritt stießen ihre Knie – fast bis in die Hocke gekrümmt – gegen die Kühlschranktür.
    Em öffnete die Augen, kaum fähig zu glauben, dass sie diese mühselige Safari tatsächlich geschafft hatte – eine Strecke, die eine ungefesselte Person in drei normalen Schritten zurücklegen konnte, für sie aber eine Safari. Ein verdammter Gewaltmarsch .
    Sie durfte keine Zeit damit verschwenden, sich selbst zu gratulieren, und nicht nur, weil sie jederzeit die Haustür des Bunkers aufspringen hören könnte. Sie hatte noch andere Probleme. Ihre Muskeln waren überanstrengt und zitterten von dem Kraftaufwand, in fast sitzender Haltung zu gehen; sie fühlte sich wie ein untrainierter Amateur, der irgendeine unmögliche Yogastellung einzunehmen versuchte. Wenn sie nicht sofort ans Werk ging, würde sie es gar nicht mehr fertig bringen. Und wenn der Stuhl so massiv war, wie er aussah …
    Doch den Gedanken schob sie weg.
    »Es wird wahrscheinlich wehtun«, keuchte sie. »Das weißt du doch, oder?« Sie wusste es, dachte aber, dass Pickering wohl noch Schlimmeres für sie in petto hatte.
    »Bitte«, sagte sie und drehte sich seitlich zum Kühlschrank, so dass sie ihm

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