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Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset

Titel: Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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ihr jetzt noch weniger gehorchen, aber sie zwang sie dazu. Und es half, dass ihre Haut schweißgetränkt war. Em zerrte an dem Klebeband, und mit einem weiteren unwirschen Reißen lockerte es sich langsam. Sie nahm an, dass es wehtat, weil es einen feuerroten Streifen auf ihrer Kniescheibe hinterließ (aus irgendeinem unklaren Grund fiel ihr dazu das Wort Jupiter ein), aber sie war längst darüber hinaus, derlei Dinge zu fühlen. Plötzlich löste sich das Band und rutschte zum Fußgelenk hinunter, verknittert und verzwirbelt und an sich selber klebend; sie schüttelte es ab und trat zurück, endlich frei. Ihr Kopf pochte, entweder vor Anstrengung oder von dem Schlag, den Pickering ihr versetzt hatte, als sie das tote Mädchen im Kofferraum seines Mercedes ansah.
    »Nicole«, sagte sie. »Ihr Name war Nicole.«
    Das tote Mädchen zu benennen schien Em ein wenig zu sich selbst zurückzubringen. Auf einmal erschien ihr die Idee, das Messer unter ihm hervorziehen zu wollen, als der reine Wahnsinn. Die Stimme ihres Vaters hatte Recht – allein schon mit Pickering im selben Raum zu verharren hieß, ihr Glück auf die Probe zu stellen. Also blieb ihr nur noch die Flucht. »Ich gehe jetzt«, sagte sie. »Hören Sie?«
    Er rührte sich nicht.
    »Ich habe die Fleischgabel. Wenn Sie mir nachkommen, ersteche ich Sie damit. Ich … ich steche Ihnen die Augen aus. Sie tun gut daran, da zu bleiben, wo Sie sind. Haben Sie das verstanden?«
    Er rührte sich nicht.
    Emily trat ein paar Schritte zurück, dann drehte sie sich um und verließ die Küche durch die Tür auf der anderen Seite des Raums. Die blutverklebte Armlehne hielt sie immer noch in der Hand.

8
An der Wand neben dem Bett hing ein Foto.
    Auf der anderen Seite lag das Esszimmer: ein langer Tisch mit Glasplatte, ringsherum sieben Ahornstühle. Die Stelle, an die der achte gehörte, war natürlich leer. Als sie den leeren Platz am »Mutter«-Ende des Tisches musterte, kam ihr eine Erinnerung: Blut, das wie eine kleine Perle unter ihrem Auge hervorquoll, während Pickering sagte: Okay, gut, okay. Er hatte ihr geglaubt, als sie sagte, nur Deke könne wissen, dass sie im Bunker sei, worauf er das kleine Messer – Nicoles kleines Messer, wie sie dachte – ins Spülbecken geworfen hatte.
    Also hatte es die ganze Zeit ein Messer gegeben, mit dem sie ihn hätte bedrohen können. Es lag immer noch in der Spüle. Aber sie würde da jetzt nicht mehr reingehen. Nie und nimmermehr.
    Sie durchquerte den Raum und ging durch einen Flur mit fünf Türen, zwei an jeder Seite und eine am Ende. Die ersten zwei Türen, an denen sie vorbeikam, standen offen, links ein Badezimmer und rechts eine Waschküche. Die Waschmaschine war ein Toplader, die Klappe war geöffnet. Eine Schachtel Ariel stand auf dem Bord daneben. Über den Rand der Maschine hing ein blutbeflecktes Hemd. Nicoles Hemd, sagte sich Emily, obwohl sie sich nicht sicher sein konnte. Und falls es ihres war, weshalb hatte Pickering es dann waschen wollen? Vom Waschen würden die Löcher nicht verschwinden. Emily meinte sich zu erinnern, dass es Dutzende gewesen waren, obwohl das eigentlich nicht sein konnte. Oder?
    Doch, dachte sie: Pickering in blindwütiger Raserei.
    Sie spähte durch die Tür hinter dem Bad und sah ein Gästezimmer. Es war nichts als eine dunkle und sterile Box mit einem Doppelbett, dessen Überwurf so strammgezogen war, dass man eine Münze darauf hätte springen lassen können. Hatte ein Hausmädchen dieses Bett gemacht? Unser Gutachten sagt Nein, dachte Em. Unser Gutachten sagt, kein Hausmädchen hat dieses Haus je betreten. Nur »Nichten«.
    Die Tür gegenüber dem Gästezimmer führte in ein Arbeitszimmer. Es war genauso steril wie der Raum auf der anderen Seite des Flurs. In einer Ecke standen zwei Aktenschränke. Auf dem großen Schreibtisch thronte ein Dell-Computer mit einer Schutzhülle aus durchsichtigem Plastik. Der Boden bestand aus schlichten Eichendielen. Es gab keinen Teppich, keine Bilder an den Wänden. Das Fenster war mit schweren Holzläden versperrt, die nur ein paar schwache Lichtstrahlen hereinließen. Wie das Gästezimmer wirkte der Raum leblos und vergessen.
    Er hat nie hier drin gearbeitet, dachte sie, und wusste, dass es stimmte. Es war alles Staffage, das ganze Haus, auch der Raum, dem sie gerade entronnen war – der Raum, der wie eine Küche aussah, tatsächlich aber ein Operationssaal mit leicht zu reinigenden Arbeitsflächen und Böden war.
    Die Tür am Ende des Flurs war

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