Sunshine Ranch 04 - Myriams letzte Chance
Myriam nickte.
„Dann ist er für mich tabu.“
„Find ich gut.“
April nahm ihr Glas wieder in die Hand und drehte es eine Weile nachdenklich hin und her. „Was hat er gemeint, als er sagte, dass du der Star der Kingsize Ranch warst?“, erkundigte sie sich endlich.
„Nichts“, sagte Myriam hastig. „Es war ’n joke . Nur ein Witz.“
„Aha“, machte April, aber sie klang alles andere als überzeugt. „Ist ja auch egal.“ Eine Weile sagten beide nichts und hörten nur der Musik zu, die auf Myriams Anlage lief. Amy Macdonald, „A wish for something more“.
„Amy Macdonald ist super“, wechselte April das Thema. „Ich wusste gar nicht, dass man sie in Deutschland kennt.“
„Die anderen Mädchen finden sie etwas langweilig“, meinte Myriam. Es machte sie glücklich, dass April und sie einer Meinung waren. Und wie April einfach akzeptierte, dass Myriam nicht über ihre Vergangenheit reden wollte.
Sie sprang auf und wechselte die CD , um April noch ein paar andere Lieblingslieder vorzuspielen. Bei „If a song could get me you“ klingelte Aprils Handy.
„Hi, Tom!“, rief April und begann sofort zu strahlen, als könnte er sie sehen.
Myriams Herz schlug schneller. Ob Tom doch noch absagen wollte?
„ That’s great news . Das freut mich total. Dann bis nächste Woche.“ April legte wieder auf.
„Seine Freundin Ella macht auch mit“, teilte sie Myriam mit. „Super, isn’t it?“
„Toll!“
„Elf Teilnehmer. Sogar einer mehr als notwendig. Dadurch wird es noch mal ein bisschen billiger.“
„Das wird Ayla freuen. Und die anderen auch. Danke, April.“
„Wofür?“ April fiel Myriam plötzlich um den Hals. „Ich muss euch danken. Ihr seid alle so nett zu mir. Ich bin so froh, dass ich nach Deutschland gekommen bin.“
Und ich erst, dachte Myriam. Du ahnst ja gar nicht, wie froh ich bin! Aber diesen Gedanken sprach sie nicht aus.
Sie hielt April einfach nur fest.
Die Pferdemädchen waren schockiert. So hatten sie sich Sarah Reddich, die Trainerin des Freestyle-Kurses, nicht vorgestellt. Sie hatten eine temperamentvolle, lustige, nette Frau erwartet. Eine zweite Sue eben.
Aber die große, muskulöse Frau, die vor sie trat, war das genaue Gegenteil von Sue. Ihre Haare waren kurz geschnitten und ihr Gesicht wirkte hart und kantig wie das eines Mannes. Sie sah finster aus, als sie nun die Augenbrauen zusammenzog und die acht Mädchen und drei Jungen musterte, die im Hof der Sunshine Ranch standen.
„Guten Morgen“, knurrte sie.
Myriam und Hannah wechselten einen erschrockenen Blick. Ob die Trainerin erwartete, dass sie im Chor antworteten wie in der Schule? Gu-ten-Mor-gen-Frau-Red-dich. Na, das konnte ja heiter werden.
„Hi“, sagte April.
Sarah Reddich durchbohrte sie mit ihrem Blick. April setzte ihr Strahlelächeln auf, aber bei der Trainerin biss auch sie auf Granit. Sarah verzog keine Miene.
„Wir werden nun drei Tage miteinander verbringen“, sagte sie drohend. „Und ich glaube, dass wir eine Menge Spaß miteinander haben werden.“
„Das bezweifle ich aber“, murmelte Tori leise. Sarah wandte den Kopf und starrte sie an, ohne zu blinzeln. Tori starrte zurück. So leicht ließ sie sich nicht einschüchtern. Aber irgendwann senkte sie als Erste den Blick. Jetzt sah Myriam zum ersten Mal so etwas wie den Anflug eines Lächelns auf Sarahs Gesicht.
Du liebe Zeit, dachte sie. Wie ist die denn drauf? Wir hätten uns vorher genauer erkundigen sollen, bevor wir sie für den Workshop engagiert haben.
„Wir machen das so“, erklärte die Trainerin. „Wenn ihr eure Pferde gesattelt habt, möchte ich mir einen ersten Eindruck von euch verschaffen. Ihr reitet mir eine Runde im Außengalopp vor. Wer will, kann mir einen Galoppwechsel zeigen. Danach teile ich euch in drei Leistungsgruppen auf. Und dann schauen wir mal, was wir in den drei Tagen so alles geschafft kriegen.“
„Drei Leistungsgruppen“, hörte Myriam Ayla flüstern. „Das klingt wie in der Schule.“
„Das klingt vielleicht oberlehrerhaft“, fuhr Sarah fort, als habe sie Ayla gehört, dabei hatte diese wirklich ganz leise gesprochen. „Aber mir ist es wichtig, dass ich euch einschätzen kann. Ich möchte keinen von euch überfordern.“
Myriam fühlte die vertraute Spannung in sich aufsteigen, als sie Camilla aufzäumte. Dieses Kribbeln im Magen, dieses Prickeln in den Fingerspitzen. Die Vorfreude darauf, dass sie gleich ihr Können unter Beweis stellen durfte. Und die leise Angst, womöglich
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