Sunshine Ranch 04 - Myriams letzte Chance
Riesen. Aber wahrscheinlich war es der Dieb, der Charlie an den Zelten vorbei zum Hinterausgang führte.“
„Mannomann! Warum hast du denn nicht nachgeguckt?“, fragte Tori.
„Hab ich doch. Aber da war er schon weg.“
Myriam überlegte, ob sie den anderen auch von Tom und April erzählen sollte. Eigentlich würde es den beiden nur recht geschehen, wenn alles herauskäme.
Über den Rand ihrer Kakaotasse hinweg betrachtete sie April, die ihr Rührei von einer Seite des Tellers auf die andere schob und dabei in regelmäßigen Abständen schniefte. Ihre Nase glänzte rot, ihre Augen waren verschwollen, sie musste todmüde sein. Und trotzdem schaffte sie es, selbst jetzt niedlich auszusehen.
Wie geht das weiter mit dir und Tom?, fragte Myriam sie in Gedanken. Seid ihr nun ein Paar, ist Ella abgeschrieben und weiß es nur noch nicht? Oder war die Knutscherei in der letzten Nacht nur ein Ausrutscher für euch? Nicht ernst zu nehmen, schon wieder vergessen?
April gab natürlich keine Antwort.
„Ich sollte Daddy anrufen, shouldn’t I ?“, fragte sie Sue.
„Ich hab doch gesagt, dass ich ihn anrufe“, gab Sue zurück. „Später.“
„Warum später? Worauf willst du warten? Meinst du, es passiert noch ein Wunder und Charlie taucht plötzlich wieder auf?“ Schon begannen Aprils Tränen wieder zu fließen. Sie rollten über ihre sommersprossigen Wangen und tropften auf ihr Rührei, ohne dass sie es überhaupt zur Kenntnis nahm. „Ich weiß genau, dass ihm etwas Furchtbares zugestoßen ist. I can feel it “, schluchzte sie.
Sue legte ihre Hand auf Aprils Hand. Sie wollte gerade etwas Tröstendes entgegnen, als ihr Handy piepste.
„Was ist das denn jetzt?“, murmelte sie ärgerlich, während sie in ihrer Tasche nach dem Telefon suchte.
Aber nachdem sie die SMS aufgerufen hatte, wurde sie ganz blass. „Das ist doch … I can’t believe this .“ Sie reichte das Telefon an Stefan weiter, der genauso entgeistert auf den Bildschirm starrte. Tori, die neben ihm saß, reckte den Hals. „Hammer! Das ist ja Charlie!“
Nun sprang April auf, rannte um den Tisch und riss Stefan das Handy aus der Hand.
„O my god“ , flüsterte sie entsetzt.
Auch Hannes und Hannah waren aufgestanden und drängten sich um das Handy. Nur Myriam hatte das Bild auf dem Display immer noch nicht gesehen.
„Von wann ist das Foto?“, wollte Tori wissen.
April starrte auf das Display. „Von heute Morgen.“
„Ist das alles?“, fragte Stefan aufgeregt. „Ist keine Textnachricht dabei?“
„Wait.“ April tippte auf eine Taste, las und schüttelte verzweifelt den Kopf. „Ich wusste es.“
„Was?“, sagte Myriam verständnislos. „Was ist los? Ich verstehe überhaupt nichts.“
„Charlie ist in unserer Gewalt“, las April mit zitternder Stimme vor. „Wir wollen 20000 Euro Lösegeld. Keine Bullen. Sonst stirbt er.“
Sie legte das Handy weg. Ihr Kopf sank in ihre Hände. Ihre Schultern zuckten.
Behutsam griff Myriam nach dem Telefon und rief das Bild wieder auf, das die Entführer Sue geschickt hatten. Da war das Foto von Charlie. Der Quarterhorse-Wallach stand mit hängendem Kopf vor einer Bretterwand, über ihm schwebte eine nackte Glühbirne.
„Vielleicht ist das ein Witz“, meinte Hannes.
„ It’s not very funny“ , erwiderte April dumpf. Dann hob sie den Kopf wieder. „Was heißt das – Bullen?“
„Polizei“, erklärte Sue. „Aber wir müssen den Beamten diese SMS auf jeden Fall zeigen.“
„No!“ , schrie April. „Das tun wir nicht!“
„Hör mal, April …“, begann Stefan.
„Sue hat selbst gesagt, dass die Polizei das Ganze nicht ernst nimmt. Charlie ist ja ‚nur ein Tier‘. Aber wenn die Kidnapper mitbekommen, dass wir uns an die Polizei gewendet haben, bringen sie Charlie um.“
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Polizei eine Erpressung auf die leichte Schulter nimmt“, wandte Stefan ein. „Immerhin geht es um richtig viel Geld. Zwanzigtausend Euro. Meine Güte!“
„Ich will aber nicht, dass die Polizei eingeschaltet wird!“, sagte April. Ihre Stimme klang schrill. „Ich will Charlie wieder zurückhaben. Lebend! Mein Vater hat genug Geld. Er soll das bezahlen, he won’t even notice it .“
„Das sieht er wahrscheinlich anders“, bemerkte Sue trocken.
„I can’t believe it!“ , schrie April. „This is a nightmare!“
Im Aufspringen stieß sie gegen ihre Tasse. Der Kakao ergoss sich teils auf den Tisch, teils auf den Teller mit dem Essen, das April nicht
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