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Super Sad True Love Story

Super Sad True Love Story

Titel: Super Sad True Love Story Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Shteyngart
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Stadt mühte sich, ihre verlorene Herrlichkeit wiederzuerlangen. In diesem Zusammenhang schmissen meine Arbeitgeber eine Party für die angereisten Mitglieder des Ständigen Ausschusses des Politbüros der Kapitalistischen Volkspartei Chinas. Der Empfang sollte in der Triplex-Wohnung eines der Vorstandsmitglieder von Staatling stattfinden und gleichzeitig, sehr angesagt gerade, die Vernissage einer Kunstausstellung sein.
    Eunice und ich wachten am Tag der Party spät auf, und sie kroch auf mich drauf, drückte mir ihren Brustkorb ins Gesicht, wollte die letzte noch verbliebene Verbindung zwischen uns herstellen. Es war schon eine Weile nicht mehr dazu gekommen. In der Woche davor war ich zu traurig gewesen, um überhaupt an körperliche Liebe zu denken, und unsere neue, graue Umgebung war zu deprimierend. «Euny», sagte ich. «Liebling.» Ich versuchte sie umzudrehen, um sie mit dem Mund zu befriedigen, weil ich darin am besten bin und ich nicht wusste, ob ich ihr Morgengesicht so nah an meinem ertragen konnte, die leichten schlafbedingten Unvollkommenheiten umdie Augen, die unkorrigierte Privatversion,
meine
Eunice Park. Doch sie umklammerte mit den Beinen meinen aufgeschwemmten Oberkörper, und sofort waren wir beisammen, zwei Liebende in einem winzigen Bett, umgeben nur von Bücherkartons, und schwaches Licht, das durchs viereckige Bullauge drang, beleuchtete nichts um uns her, nur die Tatsache, dass wir vereint waren.
    Ich weiß noch, dass ich ein paar Minuten später zu mir selbst im Spiegel «Ich kann das nicht» sagte, während Eunice an der miserablen Dusche herumfummelte. Sie packte mich an der Hand und zog mich in die Badewanne, seifte die beiden großen ineinander übergehenden Ansammlungen meiner Brust- und Schamhaare ein. Ich versuchte ebenfalls, sie zu waschen, aber sie tat das auf ihre ganz eigene Weise, vorsichtig mit einem Luffa-Schwamm. Dann machte ich irgendwas mit meiner Seife und der Cetaphil Reinigungslotion falsch, und sie machte es noch einmal richtig. Sie schüttete eine große Menge Haarspülung in die Überbleibsel meiner Mähne und erweckte sie reibend zum Leben. Wie verletzlich ihr Körper unterm fließenden Wasser aussah; wie durchsichtig. «Ich kann das nicht», sagte ich noch einmal.
    «Ist schon in Ordnung, Lenny», sagte sie und schaute weg. Sie kletterte aus der Dusche. «Atme», sagte sie. «Atme für mich.»
     
    Die Vernissage/​Willkommensparty für die Chinesen war offizieller, als ich gedacht hatte. Ich hätte die Einladung wohl doch ein wenig genauer studieren und etwas Schickeres anziehen sollen als die Kombination aus Oberhemd und Anzughose, die ich bei solchen Anlässen trage, seit ich mit zwanzig meinen ersten Angestelltenjob angetreten habe. An den Namen des ausstellenden Künstlers kann ich michnicht mehr erinnern (John Mamookian? Astro Piddleby?), doch seine Werke bewegten mich. Er hatte eine Serie extrem gezoomter Satellitenaufnahmen der tödlichen Zustände in zentralen und südlichen Teilen unseres Landes auf die Leinwand gebracht. Die Leinwände waren allerdings eher so raschelnde Seidenfahnen, die wie Fleischstücke an zwei oder drei Haken von der dreißig Meter hohen Decke der Triplex-Wohnung hingen, und wenn Menschen umhergingen, flatterten sie tatsächlich ein klein wenig, sodass ihre Gegenwart einem wie die eines Freundes vorkam, der ein zartes Geheimnis hat.
    Tot ist tot, wir wissen, wo wir die Auslöschung eines anderen Menschen zu den Akten legen müssen, aber der Künstler hatte sich bewusst an die Lebenden herangezoomt oder, genauer gesagt, an die zum Leben Gezwungenen, die bald tot sein würden. Körnige Nahaufnahmen von Menschen, die andere Menschen auf verschiedene Art benutzen, wie ich sie niemals offen in Betracht gezogen hatte, nicht etwa, weil mir das Morden nicht im Blut liegt, sondern weil ich in einer Ära aufwuchs, in der man das Barocke sicher unterm Deckel hielt. Ein alter Mann aus Wichita, dessen Augen gewaltsam entfernt worden sind, und eine der Augenhöhlen wird von einem lachenden jungen Mann aufgehalten. Eine Frau auf einer Brücke, nackt, kraushaarig, ein Teil unserer vergangenen Zivilisation repräsentiert durch eine uralte Public-Radio-Tragetasche zu ihren Füßen, mit eingeschlagener Nase über einem blutenden Mund, genötigt, die Arme in die Luft zu strecken, während irgendetwas aus einer ihrer Achselhöhlen rinnt, und eine ganze Horde Männer mit behelfsmäßigen Uniformen (auf einer ist das Abzeichen eines früheren

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