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Super Sad True Love Story

Super Sad True Love Story

Titel: Super Sad True Love Story Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Shteyngart
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sogar darüber unterhalten, dass Lenny sich besser kleiden und bei der Arbeit selbstsicherer auftreten sollte, und als ich ihr erzählt hab, dass ich mit ihm atmungsaktive Klamotten kaufen gehe, hat sie mir tatsächlich einen Kuss gegeben. Sie ist total emotional, was mich irgendwie an Lenny erinnert. Hm, und sonst? Sie leben in einem ziemlich ärmlichen Haus. Sieht aus wie die Häuser der mexikanischen Patienten, die Dad früher in L.   A. hatte. Weißt du noch – Mr.   Hernandez, der Diakon mit dem steifen Bein? Die haben uns nach der Kirche immer in ihr winziges Haus in South Central eingeladen. Ich glaube, seine Tochter Flora ist an Leukämie gestorben.
    Aber richtig geschockt war ich, als ich gesehen hab, wie Len ein Buch liest. (Nein, GESTUNKEN hat es nicht. Er besprüht sie mit Kiefernduft.) Und damit meine ich nicht etwa einen Text scannen, so wie wir das in Euro-Klassiker mit dieser
Kartusche von Parma
gemacht haben, sondern ernsthaft LESEN. Er hatte ein Lineal in der Hand und schob es ganz langsam die Seite runter und flüsterte so vor sich hin, als ob er versucht hätte, jede Kleinigkeit zu verstehen. Ich wollte grade meiner Schwester teenen, aber ich war so was von verlegen, dass ich einfach stehen blieb und ihm beim Lesen zuschaute, was ungefähr EINE HALBE STUNDE dauerte, bis er endlich das Buch hingelegt hat und so tat, als wäregar nichts gewesen. Dann hab ich heimlich nachgeguckt, und da war es dieser Russe Tolsoi, den er gelesen hatte (passt ja irgendwie auch, seine Eltern kommen aus Russland). Ich dachte eigentlich, Ben wäre kopfklug, weil er in diesem Café in Rom die Chroniken von Narnia gestreamt hat, aber dieser Tolsoi war ein echtes, tausend Seiten langes BUCH, kein Stream, und Lenny war schon auf Seite 930, also fast durch damit.
    Und er ist viel zu nett, um damit anzugeben, wie viel er weiß, ich krieg es also nicht ständig um die Ohren gehauen, aber manchmal redet er über Politik oder Kredit oder so was, und ich denke, wie? Ich hab total SCHISS vor dem Tag, an dem ich seine ganzen Medienfreunde treffen muss, die werden nämlich alle so reden, sogar die Frauen. Wenn ich Jura studieren würde, wie meine Mutter es will, würde ich vermutlich auch so werden, aber wer zum Teufel will schon Jura studieren? Vielleicht sollte ich wieder Images machen, wie am Elderbird. Prof.   Margaux vom Selbstsicherheits-Seminar meinte, ich hätte ein «Supertalent», und schon auf der Katholischen sind die Nonnen ja alle ausgetickt wegen meiner «räumlichen Fähigkeiten».
    Ist doch komisch, dass mit Lenny alles so nett ist, aber manchmal fühle ich mich irgendwie allein. Als ob ich ihm nichts zu sagen hätte und er mich heimlich, hinter meinem Rücken, für eine Idiotin halten würde. Er findet mich klug, weil ich Italienisch gelernt habe, aber das war gar nicht mal so schwer. Das ist bloß Auswendiglernen und dann Nachmachen, wie die Italiener sich benehmen, und so was ist ganz leicht, wenn man aus einer Einwandererfamilie kommt, denn wenn man zum ersten Mal in einen Kindergarten geht und noch kein Englisch kann, muss man die ganze Zeit alles nachmachen. Schon klar, es ist trotzdem lieb von Lenny, dass er mein Selbstwertgefühl fördern will, indem er michfür klug erklärt, aber manchmal will ich bloß raus aus seinem Leben und zurück nach Fort Lee ziehen, wo ich hingehöre, und dort versuchen, meiner Familie zu helfen, damit nicht bloß Sally und meine Mutter mit dem Schwarzen Loch im Wohnzimmer alias Dad fertigwerden müssen. Ach ja, und wenn Lenny NOCH EIN EINZIGES MAL ein Treffen mit meinen Eltern erwähnt, dann versohle ich ihm den Arsch mit einem
nunchuck
, das schwör ich. Manchmal rafft er es einfach nicht. Und er WILL es auch nicht raffen, was mich überhaupt erst so wütend macht. Er meint, wir stammen beide aus «schwierigen Familien», was absolut nicht stimmt. Ich hab seine kennengelernt, und das ist gar kein Vergleich.
    Dann hab ich noch mit Sally Mittag gegessen und Echtzeit-Shopping gemacht, und jetzt bin ich irgendwie besorgt um sie. Sie hat so einen leeren Blick, und egal, worüber ich geredet hab, sie hat immer bloß «Mm-hm» gebrummt. Sie hat irgendwie gar keine Vorstellung, wer sie ist. Einerseits will sie diese nippelfreien BHs von Saaami, andererseits soll ich mit ihr zu irgendeiner blöden Kirchengruppe am Barnard College gehen. Und sie hat ziemlich zugenommen, noch mehr als die fünfzehn Pfund aus dem ersten Semester, ein richtiger Trauerkloß ist sie, darum hab ich ihr

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