Suppenmord: Kommissar Hölderling kocht (German Edition)
Spieß … äh … eine Aussage machen könnten.»
«Können wir nicht in mein Büro gehen?», sagte Hölderling.
«Darf ich raten? Du hast Hunger?»
Hölderling nickte.
«Ich bin ja so froh … Na gut. Wir treffen uns bei Jobst. Ich war grad da, als Struck mich anrief, und Jobst hat gesagt, er geht so lange nicht ins Bett, bis er weiß, was mit Annelies ist. Ich ruf ihn eben an, damit er den Herd anwirft.»
Hölderling ging zum Auto zurück. Viktor hielt sich an der Beifahrertür fest, und das Krähenfüßchen kauerte auf der Rückbank. Die beiden Freunde fielen sich in die Arme, und Viktor schluchzte: «Was ist mit ihr?»
«Sie ist im Krankenhaus. Sie lebt.»
«Und wir waren trotzdem zu spät.»
Hölderling klopfte seinem Freund auf die Schultern und schüttelte ihn ein wenig durch. «Das ist doch jetzt unwichtig.»
«Schön. Annelies geht es gut. Bringt ihr mich jetzt endlich nach Hause?», ließ sich Petra vom Rücksitz vernehmen.
«Nein», sagte Hölderling. «Wir müssen unsere Aussagen machen.»
«Hat das nicht bis morgen Zeit? Ich friere, mir ist übel, und es macht Annelies jetzt auch nicht lebendiger, als sie sowieso schon ist.»
«Jetzt sei doch nicht so ungesellig», sagte Hölderling, als er den Wagen startete. «So schlimm ist mein Präsidium gar nicht.»
Wenig später parkte er den Porsche verbotswidrig direkt vor Jobst Freitags Delikatessenladen. Zabel war bereits vor Ort und telefonierte mit seinem Handy.
«Es geht ihr gut. Sie hat nur eine kleine Beule am Kopf», rief er, als die beiden Freunde die sich sträubende Petra Spieß in das Bistro schoben. Sie wurde an den Tisch gepflanzt, und Jobst Freitag begrüßte Petra mit Handschlag. «Erfreut, Jobst Freitag, herzlich willkommen, die Dame. Was darf ich Ihnen bringen?»
«Einen Kamillentee, wenn es keine Umstände macht», sagte das Krähenfüßchen, und die Missbilligung war ihr ins Gesicht geschrieben.
«Für die Herren das Übliche, und zu essen gibt es, was grad da ist.»
«Du machst das schon», sagte Gregor Hölderling. «Hauptsache, irgendwas Warmes.»
«Aber wenn die weiter so ’ne Flappe zieht, dann spuck ich ihr in den Eintopf», flüsterte Jobst mit Blick auf Petra Spieß.
«Die beruhigt sich schon wieder. Wir hatten einen harten Tag.»
Die Uhr in Jobsts Küche schlug schon sieben, und die Stimmung in dem kleinen Bistro erreichte trotz eines sehr trüben Morgens, der sich anbahnte, ihren Höhepunkt. Petra Spieß fraß Jobst Freitag mittlerweile die Reibekuchen im wahrsten Sinne des Wortes aus der Hand, Viktor war dazu übergegangen, die Obstbrände nach Farben zu verkosten, und Hölderling hatte immer noch Platz für einen Reibekuchen mit Lachs, da klingelte Zabels Handy. Er nahm das Gespräch an und hörte aufmerksam zu. Seine Miene verfinsterte sich mit jeder Sekunde. Am Tisch wurde es still. Bevor Zabel auflegte, sagte er nur: «Wo? … Beschreibung? … Aha, vermutlich. Nee, bergen Sie die Leiche, wir kommen zur Identifizierung in die Rechtsmedizin.»
«Was?», nuschelte Viktor. «Party vorbei, Gregor … Ein neuer Fall für den Superkommissar … Da braucht ihr mich nicht. Ich lasse mich von Jobst adoptieren, nicht wahr, Jobst?»
Der schüttelte nur den Kopf und lachte. «Viktor, ich bestelle dir ein Taxi. Das sollte jeder Vater für seinen Sohn so machen.»
«Und ich?», sagte Petra Spieß. «Ich muss zurück nach Seelsberg.»
Zabel nickte. «Ich fordere einen Streifenwagen für Sie an. Die Kollegen bringen Sie nach Hause.» Und zu Gregor gewandt, sagte er: «Und wir müssen jetzt. Leichenfund am Rheinufer … Selbstmord. Vermutlich Sonja Keller. Die Beschreibung der Kleidung, die uns Annelies gegeben hatte, passt. Leider.»
Die Identifizierung dauerte nicht lange. Hölderling erkannte die junge Frau wieder, die er als Sonja Keller im Romantikhotel Faust kennengelernt hatte. Er glaubte nicht wirklich an einen Himmel oder eine Hölle für die Seelen der Verstorbenen, aber er hoffte, dass, wer auch immer dafür zuständig war, für Susan-Moon ein mildes Urteil fällen würde. Wer auch immer dafür zuständig ist, sei deiner armen Seele gnädig, schoss es ihm durch den Kopf, und dies war eines der wenigen Male, wo er diesen Wunsch für angebracht hielt.
Zabel hielt die Schachtel und das Tagebuch in der Hand, die Viktor ihm vor Stunden gegeben hatte.
«Darf ich mal?», sagte Hölderling, nahm das Tagebuch und blätterte darin bis zur letzten Seite. Wenn er sich recht erinnerte, hatten diese kleinen
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