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Schiffe nach Baja zurückkehrten, erhoben die Spanier Ansprüche auf die nordamerikanische Westküste, weil sie sie entdeckt hatten. Ist doch nur fair, oder? Immerhin haben sie sie gesehen . Und später im 16. Jahrhundert entsandten sie noch ein paar Abenteurer: Francisco Galli, der gerade von den Philippinen kam, erhielt den Befehl, nach einem sicheren Hafen an der Westküste Ausschau zu halten; er hielt kurz bei Pillar Point, heute Standort einer nordamerikanischen Luftabwehr-Radarstation. Pillar Point macht einen scharfen Bogen nach Süden und bietet guten Schutz vor nordwestlicher Dünung, aber wenn Galli dies als Hafen für sein Königreich nicht geeignet schien, mag das daran gelegen haben, dass es der einzige Ort in Alta California ist, an dem über neun Meter hohe Wellen vorkommen; vielleicht ist er gar an einem Tag vorbeigekommen, an dem das Tiefseeriff, bekannt als Mavericks, «abging», wie wir sagen. Und 1594 bekam Kapitän Sebastian Cermenon den ähnlichen Befehl, einen sicheren Hafen für aus Manila zurückkehrende Galeonen zu finden. Er setzte sein Schiff an einer der Farallon-Inseln in den haiverseuchten Gewässern vor dem Golden Gate auf Grund. Zusammen mit siebzig anderen schaffte er es zur Drake's Bay, wo sie ein Boot aus einem Baumstumpf hauten. Allzu gerne stelle ich mir ihre verblüfften Gesichter angesichts der unberührten Bestände über neunzig Meter hoher Redwood-Bäume direkt an der Küste vor, oder wie sie all die Wochen an diesen verlorenen Gestaden verbrachten, Holz hackten und den Baum aushöhlten, Grizzlys aus dem Weg gingen und Elche jagten. Zusammengepfercht in dem hohlen Stamm, hungernd, stinkend und sterbend, segelten sie (man stelle sich das vor) zweitausendfünfhundert Meilen hinunter nach Acapulco, unter Wind und Dünung aus Nordosten, direkt hier vorbei über den Kelp am Point, zwischen Tausenden von Walen, die nach Süden zogen. Es gibt keinen Zweifel, dass sie sogar in die Monterey Bay trieben, um Süßwasser zu finden, durch Heringsschwärme hindurch, und auf den Dünen Antilopen äsen sahen. Die Bucht muss ihnen wie ein Stück Paradies erschienen sein: ein warmes Tiefland an der Küste, umgeben von grünen Bergen, Lagunen, die von mehreren Flüssen gebildet wurden, ehe sie ins Meer mündeten, vielleicht der Rauch zahlloser Indianerdörfer.
Drei Monate nach Gallis Rückkehr segelte Sebastian Vizcaíno nach Norden, um dasselbe Paradies zu erkunden und zu besiedeln; Winde drängten ihn beim ersten Mal zurück, aber sechs Jahre später versuchte er es erneut und gelangte unbeschadet zum Cap Mendocino. Auch er machte die merkwürdig existenzielle Erfahrung, dass die Welt auf seiner Durchreise so hieß, wie er sie nannte. Nachdem sich am 14. Dezember dicker Nebel gelichtet hatte, sah er eine riesige Bergkette an der Küste (südlich von Monterey Bay) und darüber ein Tal mit einem Fluss, der ins Meer floss. Die Bergkette wurde zur Sierra de la Santa Lucia, der Fluss zum Rio del Carmelo zu Ehren der Karmeliter. Obwohl völlig unpassend, wurden die Namen als Dank dafür gegeben, dass die Entdecker durch die Gebete der Karmelitermönche am Leben geblieben waren. Dann umrundete das Schiff eine hohe, bewaldete Landspitze, die sie Punta de los Pinos nannten – heute Point Pinos –, und gingen am 16. Dezember 1602 vor Anker. Sie benannten Cabrillos Baya de los Pinos um, zu Ehren ihres Gönners, des Conde de Monterey. Über die Bucht schrieb Vizcaíno, dass alles «so war, wie man es sich nur wünschen konnte, ihre Weiträumigkeit und Eignung als Zwischenhalt für Schiffe auf der Fahrt zu den Philippinen. Dieser Hafen ist von allen Winden geschützt … und dicht besiedelt von Leuten, die ich von nobler Veranlagung, friedlich und fügsam befand.» Damit war Monterey, die im Dunst des Horizonts südlich vom Point bedrohlich aufragende Landspitze – diese dunkle Silhouette der Berge mir stets zur Linken, wenn ich auf eine Welle warte – auf der Weltkarte.
166 Jahre sollten vergehen, ehe erneut Europäer mit kolonialen Absichten vorbeikamen. Aber die Galeonen nach und von Manila kreuzten weiter vor der Küste, und vielleicht sahen hin und wieder Indianer nachts das Licht einer Laterne weit draußen auf See; Indianer, die nach Vizcaínos letzter Reise geboren und vor Portolás langem Marsch gestorben waren. Zweifellos legte von Zeit zu Zeit ein Schiff an, um Wasser zu holen oder einen gebrochenen Mast zu flicken; keine Entdecker, sondern Kerle, die arbeiteten und dafür bezahlt
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