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Surf

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Titel: Surf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Duane
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zweite Mission in Alta California. Pater Junípero Serra las die Messe und predigte, die Soldaten schossen ihre Musketen ab, und am Ende der Zeremonien nahm Portolá formell im Namen des Königs Besitz von dem Land – unter den Gewehrsalven, die über die Bucht hallten, und den Augen der Indianer, die von den Bäumen herab zusahen. Und all das dort, wo, von meinem Surfboard aus gesehen, die vage Bergsilhouette die Bucht abschloss.
    Eine Reihe von Fakten und Daten, die Art von Geschichtsschreibung, die nur wiedergibt, wer gewonnen hat; um das Gefühl des Staunens angesichts dieses Landes zu finden, das einige, da bin ich ganz sicher, empfanden, muss ich mir den einen oder anderen Soldaten oder Mönch ausdenken, muss mir vorstellen, wie er mit diesem kurzen Moment des Mysteriums konfrontiert wurde. Übertragen auf ein zeitgemäßes Beispiel, hätten diese Entdecker ebenso gut auf dem Mars sein können, so groß war ihre Entfernung zur Heimat, so wenig vertraut das Terrain. Bestimmt gibt es noch unerschlossene Bergketten oder Wüsten oder Küstenstriche in Alaska, wo man sich die Abwesenheit jeglicher Kultur vorstellen kann, aber doch nicht an üppig grünen, mittelmeerähnlichen Stränden mit Weideland, das zum fruchtbarsten dieser Welt zählt? An Stränden, an denen es von Tieren wimmelt, mit meilenweit ausgedehnten Lagunen und Zehntausenden Vögeln; Millionen stahlköpfiger Lachse, die zurück in die Flüsse springen, die mehr als zwanzig Meilen lange feinsandige, blumenbewachsene Ufer überspülen? Man sollte sich diese Stellen keinesfalls «leer» vorstellen – die Menschen hier wurden Hunderte von Jahren lang brutal von den Spaniern misshandelt –, was ich indes wissen wollte, war, wie meine Kultur diesen Ort zuerst gesehen hatte.
    Als ich meinen Neoprenanzug abgestreift und eingepackt, die Rückholleine meines Bretts um die Finnen gewickelt und meine feuchten Füße in die Nylonsandalen gesteckt hatte, schlenderte ich noch einmal den Strand entlang, um mir die neun Kreuze anzusehen, und dachte daran, vielleicht auch ein paar Muscheln bei einem davon abzulegen als meine Opfergabe. Zwar fand ich ein schönes, vom Wasser abgeschliffenes Stück grünes Glas, aber die Kreuze waren alle ins Meer gespült worden.
     
    Im strahlenden Licht des Wintermorgens fächerte sich die scharfkantige Welle schäumend auf, während ich auf ihr davonflog; die Welle war kalt, nass, schnell, ihr vorderster Rand dünnte sich zu einem neun Meter langen Gischtstreifen aus und war kurz davor zu brechen. Zwei Zehen über der Brettspitze kontrollierten den bebenden Rand, und ich schwang mich, genau in dem Moment, als die ganze Welle nach vorne stürzte, hoch, ihren brechenden Rücken entlang. Und in diesem Augenblick – ein teleskopischer Blick durch eine schimmernde Glaswand unter einem schneebedeckten grünen Berg und einem morgendlichen Regenbogen – begann ich zu fliegen, als ein wirklich riesiger Delphin (fast drei Meter lang) aus der Welle vor mir herausschoss und mit seinem glänzenden grauen Körper für einen Augenblick in der Luft stand. Wir hingen beide gerade so lange in der aufgehenden Sonne, dass ich verblüfft aufschreien konnte, das Gleichgewicht verlor und in den Schaum stürzte, während der Delphin die Oberfläche durchbrach und verschwand. Ich schwamm auf dem Rücken, starrte in den dunkelblauen Himmel, wo ich einen Gott suchte, dem ich meinen Dank sagen konnte.
    Aber von solchen Momenten gibt es im Leben am Wasser jede Menge, und sie dienen meistens dazu, die Ängste des Tages zu entschärfen. Was mir nur recht war, denn als ich an diesem abgelegenen Surfspot für Longboards meinen Anzug abstreifte, hielt Skinny seinen kleinen Wohnwagen auf einen Schwatz an, grinste, schüttelte mir die Hand, und wir tauschten Einzelheiten über all die Spots aus, an denen wir in letzter Zeit gesurft hatten. Wir machten Pläne für den nächsten Morgen. Skinny absolvierte jedenfalls flüchtig all die jahreszeitlich bedingt wechselnden Surfspots, und da ich ihn seit dem Matschsocken-Debakel nicht mehr gesehen hatte, freute ich mich, wieder auf dem Laufenden zu sein. Er hatte dem Point rigoros abgeschworen, wollte mich aber gern ein Stückchen weiter mitnehmen; und er war ein angenehmer Begleiter mit genau der richtigen Beimengung von Ironie in seinem endlosen Surftalk, die ihn eher angenehm als lächerlich machte. Ich hatte inzwischen genügend hinzugelernt, um keinen von uns mehr in Verlegenheit zu bringen – all die Zeit am Point

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