Survive
des Ladens und bringt seine Lieferung zur Theke.
Während die beiden Männer plaudern, betrachte ich eine Auslage von handgestrickten Fäustlingen und Mützen. Auf dem gewebten Wollgarn tanzt ein Muster aus Zuckerstangen: rot und weiß, grün und rot, schwarz und rosa. Anders als die Erkältungsmittel und Schlaftabletten sind diese Sachen zwar nicht unbedingt ein Teil des Plans, aber je mehr Zeug ich mit zur Theke bringe, umso geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Apotheker fragt, wofür ein Teenager eine so merkwürdige Auswahl an frei verkäuflichen Medikamenten benötigt. Ich nehme eine Mütze und ein Paar Handschuhe aus dem Regal und stopfe meine alten Fäustlinge in die Taschen. Ich streife die neuen über. Sie sind warm und flauschig. Ich schnappe mir zwei weitere Handschuhpaare plus Mützen: ein Set für Mum und eins für Dad, nur für den Fall, dass die Betreuerin fragt.
Ich gehe durch einen der Gänge und greife mir eine Sonnenbrille. Große, schwarze Gläser. Ich setzte sie auf und schaue in den Spiegel. Ich sehe aus wie ein Käfer. Es gefällt mir.
Im nächsten Gang finde ich die Erkältungsmittel und die Schlaftabletten. Ich ziehe die Flaschen heraus, die ich für die spezielle, online recherchierte Kombination brauche. Ich gehe zum Apotheker hinüber und lege alles auf die Theke. Er tippt die Preise in die Kasse ein, und ich reiche ihm das Geld.
»Vielen Dank, meine Liebe. Beehren Sie uns bald mal wieder.«
Er reicht mir eine Tüte mit meiner »Medizin« und eine zweite mit meiner neuen Sonnenbrille sowie den anderen Fäustlingen plus Mützen. Ich setzte meine Brille auf und lasse den Apothekenbeutel in meine Reisetasche fallen. Ich gehe zur Tür und bin einen Augenblick später wieder auf der Straße.
Ich schaue auf die Uhr. Es ist zwölf Uhr fünfundvierzig. Noch fünfzehn Minuten Zeit. Drei Stunden und fünfzehn Minuten bis zum Abflug.
Kapitel 7
»Haben Sie gefunden, was Sie wollten?«, begrüßt mich May, als ich an die Straßenecke zurückkehre. Sie muss sich Sorgen gemacht haben, ich könnte weggelaufen sein oder mich verirrt haben. Das gefällt mir ganz und gar nicht. Nicht aufregen, Jane.
»Nein, aber ich habe Fäustlinge und so Sachen für Mum und Dad gefunden.«
Ich öffne die Tüte und zeige ihr die Fäustlinge und Mützen.
»Die sind ja goldig – haben Sie die bei Dowden’s bekommen?«
Ich sehe auf die weiße Papiertüte und bemerke das kleine Logo von Dowden’s darauf. Verdammt, Jane. Du willst es dir anscheinend wirklich vermasseln. Jedenfalls macht das langsam den Anschein.
»Mir gefiel nicht, was es bei Lila’s gab. Es hat alles nach Mottenkugeln gerochen.«
Die Betreuerin lächelt und sagt: »Ich bin selbst kein großer Fan vom Vintage . Aber Sie wissen, Dowden’s steht nicht auf der Liste, Jane.«
»Kann das nicht unter uns bleiben?«, frage ich mit der professionellen Übung einer lebenslangen Lügnerin. »Ich hab nicht daran gedacht, als ich hineinging; es lag einfach auf dem Weg, und ich wollte rechtzeitig wieder hier sein.« Ich halte für einen Moment inne und schaue ihr forschend ins Gesicht. Es ist undeutbar.
»Ich habe kein Drogenproblem«, füge ich hastig hinzu. »Das ist nicht mein Ding; Sie können es in meinen Unterlagen nachsehen. Wirklich. Außerdem weiß ich, wie wichtig es ist, nicht zu spät zu kommen.«
Sie lächelt, nickt und zwinkert mir zu.
Danach plaudern wir ein bisschen und erzählen von den Weihnachtsritualen unserer Familien. Sie stammt aus einer »Packe-die-Geschenke-nicht-vor-dem-Morgen-aus«-Familie, und wir sind eine »Puste-dir-vor-dem-Morgen-das-Hirn-aus-dem-Schädel«-Familie, also haben wir nicht viel gemein. Ich lüge natürlich und sage, dass wir auch »Nie-vor-dem-Morgen«-Geschenkeauspacker sind. Bla bla bla.
Bevor ich in den Bus steige, umarme ich sie spontan, und sie erwidert die Umarmung. Es gibt ihr das Gefühl, dass sie etwas Besonderes ist, und hoffentlich wird das ihr Schweigen besiegeln. Sie mag mich jetzt, und wir haben ein Geheimnis; du wirst mich niemals melden, stimmt’s?
Es ist erst fünf nach eins, als der Bus aus Powder River abfährt. Ich setze mich nach hinten, was seltsam wirkt, weil mit mir nur drei Personen im Bus sind. Verhalte dich normal, Jane. Mach nur normale Sachen.
Meine Lungen verkrampfen sich ein wenig, mein Herz fängt heftig zu hämmern an, und ich frage mich, ob die Frau fünf Reihen vor mir es hören kann und ob sie ahnt, warum ich hier bin. Niemand weiß von dem Plan , sage
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