Survive
– es liegt nicht an mir.« Hübscher Junge, aber im Augenblick einfach nur lästig.
Hinter ihm steht eine Gruppe von Bergsteigern, die alle T-Shirts mit der Aufschrift Matternaught Peak: Avalanche Valley, Grand Teton tragen. Ein gewaltiger Haufen Gepäck und Ausrüstung liegt um sie herum.
Sie sind laut und ausgelassen und machen den Anschein, als wäre es ihr besonderes Highlight, sich an überfüllten öffentlichen Orten zu tummeln. Für mich beweisen sie nur einmal mehr, was ich schon immer gewusst habe: Es gibt keinen einzigen Menschen auf der ganzen Welt, der mich unter gewissen Umständen nicht nervt.
Ich sehe wieder auf meine Uhr. Es ist bereits zwei Uhr dreißig. Vor Unruhe beiße ich mir innen in die Wange, um nicht auf der Stelle loszuschreien.
Ein frisch verheiratetes Paar steht direkt vor mir und wartet vor dem linken Metalldetektor. Sie heißen Margaret und Eddie – zwei der vielen Informationen, die ich aus ihrem ungewöhnlich lauten Gespräch erfahren musste. Ich hatte nie irgendwelche besonderen Probleme mit Frischvermählten, aber jetzt beginne ich, Verachtung für sie zu empfinden. Ihr unaufhörliches selbstverliebtes Gerede kotzt mich an. Ich beiße kräftiger in meine Wange und schmecke den salzigen, metallischen Geschmack meines Blutes.
Margaret beklagt sich über ihren Ehering. »Eddie, er ist einfach so schwer, da wird ja mein Handgelenk ganz lahm.« Eddie wirkt gleichzeitig stolz und verlegen und sagt: »Du musst vielleicht anfangen, Sport zu treiben, Margaret … he he he.«
Sie machen weiter mit diesem Übelkeit erregenden Geplapper, das sie immer wieder mit unnötigen Berührungen begleiten, bis sie sich einen Abschiedskuss geben und Margaret durch den Metalldetektor tritt, während Eddie allein zurückbleibt. Dann werden sie beide ganz traurig und werfen einander doch tatsächlich noch Kusshändchen zu. Ich will schreien, aber ich halte den Kopf gesenkt und weiß, dass ich schon bald elftausend Meter hoch in der Luft sein werde.
Nachdem Margaret allein durchgegangen ist, nähere ich mich nun dem Metalldetektor, aber der Sicherheitsbeamte hebt die Hand, um mich aufzuhalten, und bittet den Punkrocker, vor mir durchzutreten. Ich explodiere vor Unruhe und rufe: »Mein Flug geht gleich!«
Ich muss wirklich laut geschrien haben, denn in meiner unmittelbaren Umgebung wird es still, und sowohl der Snowboarder als auch der Sicherheitsbeamte drehen sich um.
Der Sicherheitsbeamte mustert mich von Kopf bis Fuß und wägt den Grad meines Irrsinns ab. Ist sie weihnachtsirre oder echt durchgeknallt? Das ist es, was er festzustellen versucht.
»Miss, wann geht Ihr Flug?«
»Um vier.«
Er sieht auf seine Armbanduhr und schaut mich seltsam an. »Sie haben noch anderthalb Stunden, Miss. Ich schlage vor, Sie atmen einmal tief durch und beruhigen sich.«
Ich beiße mir noch fester in die Wange, während ich nicke, und jetzt schlucke ich Blut.
Der Snowboarder greift nach seiner Tasche und seinem Snowboard und bewegt sich einige Schritte zur Seite. Ich kann nicht umhin, ihn anzusehen. Er ist völlig ungerührt, zeigt keinerlei Emotionen. Seine Wangenknochen sind kantig, als seien sie aus Fels gemeißelt.
»Ist schon in Ordnung«, sagt er. »Lassen Sie sie durch.«
Ich nicke ihm zum Dank zu, hauptsächlich deshalb, weil ich den Mund nicht öffnen kann. Ich hebe die Hände und passiere den Metalldetektor und die Leibesvisite. Keinerlei Alarmsignale, also gibt es wohl keinen Detektor für jemanden, der plant, sich körperlichen Schaden zuzufügen.
Ich schnappe mir meine Reisetasche aus der Ablagewanne und gehe schnell zur nächsten Toilette, wo ich mich in eine Kabine einschließe und ein wenig Blut aus der Bisswunde in meiner Wange in die Toilette spucke. Ich kann kaum atmen, also setzte ich mich hin, bedecke den Mund mit beiden Händen und versuche, die Luft zu regulieren, die in meine Lungen hinein- und aus ihnen wieder herausströmt. Es funktioniert. Ich reiße mich zusammen und spritze mir etwas Wasser ins Gesicht. Ich betrachte mich im Spiegel und bin bestürzt über die Röte meiner Wangen. Beruhig dich , befehle ich mir, bevor ich wieder hinausgehe.
Ich gelange zu Gate zwölf und finde dort einen Sitzplatz. Ich sehe nach, wie spät es ist. Zwei Uhr fünfundvierzig. Ich werfe einen Blick auf die Fluganzeige und bete abermals, dass mein Flug nicht gestrichen wird.
Ich schaue wieder auf meine Uhr, einfach aus Gewohnheit. Es ist immer noch zwei Uhr fünfundvierzig. Ich frage mich, ob ich
Weitere Kostenlose Bücher