Susan Mallery - Buchanan - 02
weinte. Ob über sich selbst, über Walker oder eine tapfere junge Frau, der das Schicksal viel zu früh viel zu viel zugemutet hatte, wusste sie nicht.
„Es ist Zeit für eine Krisenintervention“, sagte Mindy am nächsten Dienstag, als sie sich gemeinsam mit Elissa und Ashley im Restaurant einschloss. Frank war mit den Tageseinnahmen zur Bank gegangen, der Putztrupp würde erst später kommen, und die drei waren allein.
„Bei wem soll interveniert werden?“, fragte Elissa, obwohl sie eine leise Ahnung hatte.
„Bei dir.“
Ashley schob sie zu einem Stuhl an der Theke, ging zur Kühlvitrine und griff zum Eisportionierer.
„Du bist nicht mehr du selbst“, sagte sie. „Es geht schon eine ganze Weile so, aber in den letzten Tagen ist es richtig schlimm mit dir geworden.“
Elissa zuckte zusammen. „Oje. Mir war nicht bewusst, dass es so offensichtlich ist.“
„Das ist es tatsächlich“, sagte Mindy und schmunzelte. „Komm, du weißt, dass wir dich mögen. Nun rück schon raus mit der Sprache. Was ist los?“
Elissa zögerte. Nicht, weil sie ihre Probleme unbedingt für sich behalten wollte, sondern eher, weil sie nicht wusste, wo sie anfangen sollte.
„Es ist wegen dieses Typen“, sagte Ashley. „Stimmt’s?“
„Zum Teil, ja. Aber auch wegen meiner Familie. Wegen meiner Eltern, genauer gesagt. Sie leben hier in Seattle.“
Mindy und Ashley starrten sie mit offenem Mund an.
Ein Grund, warum Elissa hier immer so gern gearbeitet hatte, war, dass ihr niemand Fragen über ihre Vergangenheit stellte. Man ging davon aus, dass jeder Geheimnisse hatte, die er nicht teilen wollte. Doch nun erzählte Elissa ihren Kolleginnen eine Kurzfassung ihres Lebens, angefangen von dem Zeitpunkt, als sie von zu Hause durchgebrannt war, bis zu ihrem Besuch bei ihren Eltern am letzten Sonntagmorgen.
„Ich weiß nicht, was ich von all dem halten soll“, gab sie zu. „Ich bin verwirrt. Einerseits ist es schön, wieder eine Familie zu haben, andererseits … keine Ahnung. Mir ist klar, dass ich diejenige war, die sich damals davongemacht hat – warum bin ich dann auf sie böse?“
Mindy setzte sich neben sie und nahm sie in den Arm. „Vielleicht, weil sie ihr Leben ohne dich weitergelebt haben, weil sie deinetwegen nicht traurig genug waren?“
Da mochte etwas dran sein, dachte Elissa. „Ich will nicht so denken. Es ist oberflächlich und egoistisch von mir.“
„Es ist menschlich. Du bist von zu Hause weggelaufen, aber die Welt hat sich weitergedreht. Sieh nur, wie sehr du selbst dich verändert hast. Deine Eltern haben sich ebenfalls verändert. Ihr müsst eine ganz neue Beziehung zueinander aufbauen. Das braucht seine Zeit.“
Elissa nickte und nahm den Schokoladen-Milchshake entgegen, den Ashley ihr zuschob. „Ich bin so durcheinander. Nicht nur ihretwegen. Es ist wegen Walker.“
Ashley und Mindy warfen sich einen schnellen Blick zu. „Ich wusste, dass ein Mann dahintersteckt“, sagte Mindy. „Und ich habe gleich auf Walker getippt.“ Sie rührte in ihrem Milchshake. „Er sieht gut aus, hat Geld und ist alleinstehend. Wo also liegt das Problem?“
„Ich möchte klarstellen, dass wir ein rein theoretisches Problem erörtern. In Wahrheit bin ich nicht an einer Beziehung interessiert.“
Ashley verdrehte die Augen. „Klar, das bist du nicht.“
Elissa beachtete die Ironie nicht. „Er kann sich emotional auf niemanden einlassen. Er hat es mir immer wieder erklärt, und langsam glaube ich, dass er die Wahrheit gesagt hat.“
„Inwiefern ist das ein Problem, wenn du ohnehin keine Beziehung willst?“, fragte Ashley.
Elissa sah sie an. „Ich habe doch gesagt, theoretisch!“
„Ich glaube nicht, dass es nur Theorie ist“, erwiderte Mindy. „Du?“
Elissa wusste nicht, was sie sagen sollte. Noch vor einer Woche hätte sie vielleicht zugegeben, dass sie an Walker interessiert war. Aber nun …
Von Charlotte zu erfahren, hatte alles verändert. Er hatte den einzigen Menschen im Stich gelassen, von dem er behauptete, ihn geliebt zu haben. Das machte Elissa Angst.
„Ich will jemanden, der bei mir bleibt“, sagte sie mehr zu sich selbst. „Von Beziehungen mit selbstverliebten Egozentrikern habe ich die Nase voll. So etwas will ich nicht. Ich will …“
„Du willst alles“, seufzte Mindy.
„Tun wir das nicht alle?“, warf Ashley ein. „Jemanden, der uns zum Lachen bringt, der uns unterstützt und für uns in schlimmen Lebensphasen da ist? Warum ist so jemand so schwer zu finden?
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