Susannah - 02 Auch Geister haben hübsche Söhne
sie von einer Frau geschlagen wurden.«
»Ich schäme mich jedenfalls nicht«, verkündete Hatschi. »Ich erzähle Dad davon, sobald wir wieder zu Hause sind.«
»Nur zu«, gab ich eisig zurück. Meine Laune hatte sich um keinen Deut verbessert. »Wetten, dass er dich bloß wieder zu Hausarrest verdonnert, wenn ich ihm sage, dass du dich damals zu Kelly Prescotts Party unerlaubt aus dem Haus geschlichen hast?«
»Das hab ich nicht!«, schrie er mir ins Gesicht.
»Wie kann es dann sein«, bohrte ich, »dass ich dich dabei gesehen habe, wie du in Kellys Badehaus mit Debbie Mancusos Mandeln Zungenbillard gespielt hast?«
Das entlockte sogar Schlafmütz ein lautes »Huuu!«.
Hatschi war knallrot geworden und sah aus, als könnte er jeden Moment losheulen. Ich leckte mir den Finger ab und tat so, als würde ich etwas auf eine Anzeigetafel schreiben. Suze gegen Hatschi: eins zu null.
Aber leider war Hatschi dann doch derjenige, der zuletzt lachte.
Wir waren gerade dabei, bei der allmorgendlichen Versammlung unsere Reihen zu bilden – ja, hier bestand man allen Ernstes darauf, dass sich fünfzehn Minuten vor dem Unterrichtsbeginn jeder Jahrgang einzeln aufstellte, nach Geschlechtern getrennt, Jungs links, Mädchen rechts, damit der Anwesenheitsappell durchgegangen und jede potenzielle Ankündigung vorgelesen werden konnte –, als Schwester Ernestine plötzlich in ihre Pfeife blies und mich zu sich neben den Fahnenmast winkte.
Netterweise tat sie dies vor der gesamten zehnten Klasse – von der Neunten mal ganz zu schweigen –, sodass jeder Einzelne meiner Jahrgangskollegen das Vergnügen hatte mitzuerleben, wie ich von einer Nonne dafür gerügt wurde, dass ich im Minirock zur Schule gekommen war.
Das Ende vom Lied war, dass Schwester Ernestine mich anwies, nach Hause zu gehen und mich umzuziehen.
Ich protestierte natürlich. Ich betonte, dass eine Gesellschaft, die ihre Mitglieder nur nach dem Äußeren beurteilte, dem Untergang geweiht war. Das hatte ich Schweinchen Schlau erst wenige Tage zuvor sagen hören, als Schwester Ernestine ihn sich wegen des Tragens einer Levi's vorgeknöpft hatte. (Jeans waren an der Academy ein absolutes No-go.)
Aber in meinem Fall zog das nicht. Schwester Ernestine stellte mich vor die Wahl: entweder heimfahren und mich umziehen oder mich mit in ihr Büro setzen und Zweitklässlern beim Lösen ihrer Matherätsel helfen, bis meine Mutter mit einer langen Hose für mich eintraf.
Och, nicht doch, das wäre ja kein bisschen peinlich gewesen.
Vor eine solche Wahl gestellt, entschied ich mich dann doch fürs Heimfahren und Umziehen – nicht ohne vorher noch mal vehement für die Entwürfe von Betsey Johnson einzutreten. Blöderweise waren an dieser Schule aber Röcke, die mehr als viereinhalb Zentimeter über dem Knie endeten, nun mal nicht erlaubt – und meiner endete gut sechs Zentimeter über dem Knie. Das weiß ich deswegen so genau, weil Schwester Ernestine ihr Lineal hervorzog und es mir zeigte. Und zugleich der gesamten zehnten Klasse.
Und so kam es, dass ich meinen Rucksack schulterte und das Schulgelände verließ, mit einem letzten Winken in Richtung Cee Cee und Adam, die meinen Anfeuerungschor leiteten. Der ging allerdings leider in dem Gejohle unter, das Hatschi und seine Freunde mir widmeten.
Ich musste zu Fuß gehen, denn ich wollte mich nicht der Schande aussetzen, Andy anzurufen, damit er mich abholte, und ob es in Carmel irgendeine Art von öffentlichem Nahverkehr gab, hatte ich immer noch nicht herausgefunden.
Aber allzu niedergeschlagen war ich trotzdem nicht. Was hätte mich in der Schule denn schon erwartet? Nur Pater Dominic, der mir mal wieder vorwarf, dass ich ihm nichts von Jesse erzählt hatte. Klar hätte ich ihn ablenken können, indem ich ihm erzählte, dass er sich in Bezug auf Tads Vater geirrt hatte – der hielt sich nur für einen Vampir, war aber keiner –, oder dass Cee Cee so einiges über seinen Bruder Marcus herausgefunden hatte. Das hätte ihn garantiert von Jesse abgebracht … erst mal jedenfalls.
Aber andererseits, was war schon Großes dran? Okay, es waren also ein paar Umweltschützer verschwunden. Na und, das bewies noch gar nichts. Und eine tote Frau hatte mir erzählt, dass ein Mr Beaumont sie umgebracht hatte. Na klar, das würde mir vor Gericht natürlich sofort jeder glauben.
Unterm Strich hatte ich kaum etwas in der Hand. Um genau zu sein, eigentlich gar nichts. Nada, nix, null.
Und genau so fühlte ich mich, als ich so
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