Susanne Barden 05 - Jung verheiratet
alten vertrauten Freundin einnahm.
»Alles in Ordnung, Kit?« fragte sie mütterlich besorgt.
»Gewiß, Anne. Nur sind alle Patienten, die kriechen können, draußen und haben nichts Besseres zu tun, als die Mädchen anzustarren.«
»Ach, das macht nichts. Ist mal ’ne Abwechslung für sie.«
»Das wohl. Aber die armen jungen Dinger wußten gar nicht, wohin sie sehen sollten, und stolperten vor Verlegenheit über ihre eigenen Füße. Ist Susy in ihrem Büro?«
»Ja. Sie hat schrecklich Lampenfieber. Wollen Sie nicht mal nach ihr sehen?«
Kit nickte und ging durch einen langen Korridor. Ihre Gummiabsätze quietschten auf dem Linoleum. Vor einer geschlossenen Tür blieb sie einen Augenblick zögernd stehen. Dann öffnete sie sie energisch, trat in ein kleines Zimmer und ließ sich seufzend auf einen Stuhl fallen. »Nun, Susy, wie geht’s?«
Die junge Schwester, die am Schreibtisch saß, antwortete nichts, sondern starrte abwesend vor sich hin. Ihre Tracht sah genauso wie die von Kit aus, nur mit dem Unterschied, daß die winzige weiße Haube sehr gerade auf rotgoldenen Locken saß. Das Gesicht darunter war fein geschnitten und hatte einen empfindsamen Ausdruck. Aber die braunen Augen blickten sehr klar, und das Kinn hatte trotz der weichen Rundung eine sehr bestimmte Form, die auf Festigkeit und Entschlossenheit schließen ließ.
Nachdem Kit ihr Gegenüber kurze Zeit verstohlen gemustert hatte, rief sie: »Um Himmels willen, Susy, wo bist du?«
»Ich weiß nicht«, antwortete die Schwester leise. »Kit, ist es denn wirklich wahr? Bin ich wirklich ...«
»Ja, du bist wirklich Leiterin einer Schwesternschule. Soll ich fortfahren? Du bist erst fünfundzwanzig, und vor ein paar Jahren warst du selber noch Lernschwester. Du hast überhaupt keine Erfahrung in der Leitung einer Schwesternschule, und alles wird schiefgehen.«
»Aber höre doch, Kit .«
»Ich habe dir wochenlang zugehört. Jetzt will auch ich einmal etwas sagen. Mach kein Gesicht, als hätte man dich beim Stehlen ertappt! Erinnerst du dich an Dr. Bill Barry?«
»Du meinst den Leiter des Krankenhauses?« Neben Susys Mundwinkeln erschienen ein paar Grübchen. »Ja, ich erinnere mich dunkel an ihn.«
»Bill würde entzückt sein, wenn er das hörte. Weißt du auch, daß du mit ihm verheiratet bist?«
»Er behauptet es immer. Aber was hat das ...«
»Krankenhäuser brauchen Schwestern, und Schwestern brauchen eine Schulleiterin, nicht ...«
»Ja, ja, aber ...«
»Kein Aber! Hat Elias Todd dich nicht zur Leiterin der neuen Schwesternschule ernannt? Elias Todd ist doch gewiß ein praktisch denkender Mann.«
»Das stimmt. Aber in diesem Fall hat er, glaub’ ich, einen Fehler gemacht.«
»Unsinn, Susy!« Kit machte eine ungeduldige Bewegung. »Hast du nicht alles getan, was nur irgend möglich ist, um deinen Lernschwestern das Beste vom Besten zu bieten? Du hast einen sechsmonatigen Verwaltungskursus durchgemacht. Du hast Mary Addison als deine Assistentin hierher geholt und sie für drei Jahre verpflichtet. Mary ist fünfundvierzig, ein grundgelehrtes Haus, das platzt vor Erfahrung. Außerdem hast du einen Stab tadellos ausgebildeter Schwestern engagiert, von denen die meisten aus unserer alten Schule kommen. Und schließlich hast du sogar Luise Wilmont als Nachtschwester angestellt. Das bedaure ich allerdings.«
»Sag nichts gegen Luise, Kit! Sie ist zwar stocklangweilig, aber äußerst tüchtig.«
»Was beunruhigt dich denn noch?«
»Ach, so mancherlei, Kit. Kleine Schwesternschulen halten sich gewöhnlich nicht lange, weil sie den Mädchen keine ausreichende Ausbildung mitgeben können.«
»Ein Krankenhaus mit hundert Betten ist keine Kleinigkeit. Du mußt immer bedenken .«
An der Tür klopfte es. Gleich darauf wurde sie aufgerissen, und ein Mädchen mit wuschligem hellbraunen Haar und erregten blauen Augen guckte ins Zimmer. »Kit! Anne läßt dir sagen, daß eben noch drei Neue gekommen sind. Fräulein Addison ist im Edgett-Heim, und du möchtest doch bitte .«
»Danke, Marianna! Ich komme!« Kit stand auf.
Der Mädchenkopf verschwand, und die Tür fiel krachend zu.
Kit zuckte zusammen. »Eins steht fest, Susy; Marianna wird mehr
Unheil in der Schule anstiften als alle übrigen Schülerinnen zusammen.«
»Sehr beruhigend!« entgegnete Susy spöttisch. »Man sollte einem verzagten Menschen immer versichern, daß alles ein schlimmes Ende nehmen wird.«
»Verzeih!« Kit lachte leise. »Na, dann bis nachher!« Alleingelassen, blieb
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