Sushi Für Anfaenger
zersprengte ihr fast die Brust.
»Setzen Sie sich«, forderte Jack sie freundlich auf, und sie spürte auf der Stelle, dass die Worte schlechte Nachrichten verhießen.
»Als ich Chefredakteurin bei Femme war, bin ich immer gefahren. Für das Ansehen der Zeitschrift ist es wichtig, dass wir dort dabei sind. Anzeigenkunden und so«, sprudelte es wild durcheinander aus ihr hervor. »Man wird uns nicht ernst nehmen, wenn wir nicht gesehen werden ...«
Jack beobachtete sie und wartete, bis sie aufhörte. Sein verständnisvoller Blick sagte ihr, dass ihre Worte verschwendet waren, aber man soll nie aufgeben.
Sie nahm einen tiefen Atemzug. »Ich fahre doch, oder?«
»Es tut mir Leid«, sagte Jack mit honigmilder Stimme. »Unser Budget reicht dafür nicht aus. Dieses Jahr wenigstens nicht. Wenn die Zeitschrift etabliert ist, wenn wir mehr Anzeigen haben.«
»Aber ich...«
Er schüttelte traurig den Kopf. »Wir haben kein Geld dafür.«
Es war sein mitleidiger Blick und weniger seine Worte, der es unmissverständlich klarmachte. Mit voller Wucht wurde ihr die ganze schreckliche Tatsache bewusst. Alle anderen würden fahren. Die ganze Welt. Und dann würden sie merken, dass sie, Lisa, nicht da war, und sich darüber amüsieren. Plötzlich kam ihr ein noch schrecklicherer Gedanke: Vielleicht würde es keinem auffallen.
Zu allem Überfluss goss Jack noch Öl ins Feuer, indem er versprach, Bilder von den verschiedensten Agenturen zu kaufen, und ihr versicherte, dass Colleen trotzdem fantastische Modeseiten bringen könnte und den Lesern niemals der Verdacht kommen würde, dass die Chefredakteurin gar nicht dabei gewesen war...
Erst da merkte Lisa, dass sie weinte. Nicht die bösen Tränen eines Wutanfalls, sondern reine, süße Tränen der Trauer, die sie nicht aufzuhalten vermochte. Unendliche Wehmut strömte mit jedem Schluchzer aus ihr hervor.
Es sind doch nur ein paar dumme Modeschauen , sagte ihr Kopf.
Aber sie konnte nicht aufhören zu weinen, und aus dem Nichts kam eine Erinnerung in ihr hoch, völlig ohne Zusammenhang. Damals war sie fünfzehn und hing rauchend und gelangweilt mit zwei anderen Mädchen in Hemel Hempstead herum und beschwerte sich darüber, dass alles die letzte Scheiße war. »Lauter Spastiker« sagte Carol und verzog angewidert den geschminkten Mund, während ihr Blick die High Street auf und ab wanderte.
»Und Scheißleute mit bekloppten Klamotten und einem miesen Leben«, stimmte Lisa ihr gehässig zu.
»Guck mal, ist das nicht deine Mum?« Andreas Augen, die Wimpern dick geschminkt mit blauem Mascara, blickten böse und belustigt, und sie nickte mit dem toupierten Haarturm zu einer Frau auf der anderen Straßenseite hinüber. Mit einem schrecklichen Gefühl in der Magengrube sah Lisa ihre Mutter, hausbacken und lächerlich in ihrem »guten« Mantel. »Die?« hatte Lisa hämisch gesagt und den Rauch in einer langgezogenen Wolke ausgeblasen. »Das ist nicht meine Mum.«
Doch sie saß in Jacks Büro und sagte immer wieder mit erstickter Stimme: »Ich habe so hart gearbeitet. Ich habe so hart gearbeitet.«
Sie nahm kaum wahr, dass Jack in seinen Taschen wühlte. Man hörte das Rascheln einer Schachtel, das Klicken eines Feuerzeugs, roch den scharfen Geruch des Tabaks.
»Kann ich eine haben?« Sie hob kurz ihr tränenüberströmtes Gesicht.
»Die ist für Sie.« Er reichte ihr die angezündete Zigarette, die sie dankbar entgegennahm, und sie zog daran, als hinge ihr Leben davon ab. Sie rauchte sie in sechs gierigen Zügen auf.
Jack wühlte weiter. Teilnahmslos sah sie, wie er ein Rubbellos aus der einen und eine Quittung aus der anderen Tasche zutage beförderte. Dann fand er in einer Schreibtischschublade, wonach er suchte. Eine Papierserviette mit dem SuperMac-Logo, die er ihr in die Hand drückte.
»Ich wünschte, ich wäre einer von den Männern, die für solche Gelegenheiten ein großes, weißes, sauberes Taschentuch bei sich hätten«, sagte er sanft.
»‘s geht schon.« Sie rieb sich mit dem Zellstoff über die salzigen Wangen. Mit jedem Zug an der Zigarette wurde ihr Schluchzen weniger, bis sie nur noch ein-, zweimal nach Luft schnappte.
»‘s tut mir Leid«, sagte sie dann. Alles war langsamer geworden: ihr Puls, ihre Reaktionen, ihre Gedanken. Sie könnte einfach immer weiter in seinem Büro sitzen, zu benommen, um verlegen zu sein, zu erschöpft, um sich zu fragen, was eigentlich passiert war.
»Noch eine?«, fragte Jack, als sie die Zigarette ausdrückte. Sie
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