Sushi Für Anfaenger
waren. »Deswegen sind wir auf Sie zugekommen, damit Sie den Erfolg von Colleen mitgestalten, Jasper.«
Das stimmte nicht ganz. Sie waren auf Jasper zugekommen, weil Conrad Gallagher ihnen schon eine Absage erteilt hatte mit der Begründung, er habe zu viel zu tun.
Während Jasper bei der zweiten Flasche Wein kräftig zulangte, betörte Lisa ihn mit einem Vernetzungsentwurf. Ohne es ihm regelrecht zu versprechen, deutete sie doch an, dass eine Kolumne in Colleen der erste Schritt zu einer eigenen Sendung auf Channel 9, dem Fernsehsender von Randolph Media, sein könnte.
»Ich mache es!«, beschloss Jasper. »Lassen Sie mir morgen früh einen Vertrag zukommen.«
»Ich habe einen bei mir«, sagte Lisa prompt. Man soll das Eisen schmieden, solange es heiß ist.
Jasper kritzelte seine Unterschrift darauf- gerade im richtigen Moment, denn der Kellner kam, um ihre Teller abzuräumen. Wie jedesmal hatte Lisa ihr Essen auf dem Teller herumgeschoben, aber kaum etwas gegessen.
»Hat es Ihnen nicht geschmeckt?«, fragte der Kellner.
»Doch, es war köstlich, aber -«
Als Lisa Jaspers bohrenden Blick von der anderen Seite des Tisches bemerkte, verbesserte sie sich und sagte neutraler: »Es war gut.«
»Wenn es so unverschämt schlecht war wie meins, dann wundert es mich nicht, dass Sie es nicht essen konnten«, erklärte Jasper. »Blutwurst-Blinis? Das ist doch ein Witz!«
»Es tut mir Leid, das zu hören, Sir«, sagte der Kellner mit einem unbewegten Blick auf Jasper und dessen leer gegessenen Teller. Er hatte einmal für Jasper gearbeitet, den verrückten Hund. »Möchten Sie ein Dessert?«
»Nein, wir möchten keins!«, sagte Jasper erregt - zu Lisas Kummer, denn in dieser Woche machte sie eine Dessert-Diät. Natürlich kamen nur die leichteren Varianten in Frage: Obst, Sorbets, Kompott. Es war inzwischen gut zehn Jahre her, dass sie alle Schokoladendesserts aus ihrem Leben verbannt hatte.
Also gut, es war unerheblich. Sie bezahlte die Rechnung, und beide standen auf, der eine ziemlich wankend. An der Tür verabschiedeten sie sich, dann versuchte Jasper in seinem betrunkenen Zustand, sie anzugrabschen, was sie geschickt abzuwehren wusste. Gut, dass der Vertrag schon unterzeichnet war.
Als Jasper missmutig davontrottete und Lisa allein war, übermannte sie wieder ein überwältigendes Gefühl der Öde. Warum? Warum war hier alles so viel schwieriger? In London war es ihr doch gutgegangen. Auch nachdem Oliver ausgezogen war, hatte sie weitergemacht. Sie hatte ihre Sache vorangetrieben, ihre Visionen verfolgt, Dinge in Gang gesetzt, immer in der Gewissheit, dass es einen Preis für sie geben würde. Aber jemand anders hatte den Preis bekommen, und sie war in Irland, wo ihre bisher erfolgreichen Strategien nicht besonders gut zu funktionieren schienen.
Sie hatte ihre Mum am Tag zuvor nicht angerufen, obwohl es Sonntag gewesen war. Sie war zu deprimiert gewesen. Sie war nur aufgestanden, um zu dem widerlichen Geschäft an der Ecke zu gehen, wo sie eine Packung Eis und fiinf Zeitungen kaufte, und als sie im Haus war, zog sie sich wieder ihren Bademantel an und verbrachte den Tag untätig in einer Wolke von Zigarettendunst. Ihr einziger Kontakt mit der Menschheit war eine Horde Achtjähriger, die den ganzen Nachmittag über ihren Ball gegen ihre Haustür kickten.
Bevor sie ein Taxi anhielt, ging sie in einen Zeitungsladen, um Zigaretten zu kaufen. Ihre Lebensgeister regten sich in dem Moment, als sie sah, dass der neue Irish Tatler erschienen war. Irish Tatler war eine der Konkurrenzzeitschriften für Colleen, und ihn einer vernichtenden Kritik zu unterziehen würde sie für den Rest des Abends beschäftigen. Plötzlich schien ihr der Gedanke, nach Hause zu kommen, nicht mehr so schrecklich.
»Hallo, Lisa!« Ein paar kleine Mädchen, die auf der Straße spielten, riefen ihr zu, als sie aus dem Taxi stieg. »Ein sexy Kleid hast du an.«
»Danke.«
»Was für eine Schuhgröße hast du?«
»Neununddreißig.«
Die Mädchen steckten die Köpfe zusammen. Wie groß war neununddreißig? Zu groß für sie, entschieden sie mit Bedauern.
Sie schloss auf, schleuderte ihre Tasche in die Ecke, stellte den Wasserkocher an und sah zum Anrufbeantworter hinüber. Keine Nachrichten, was nicht verwunderlich war, denn kaum jemand kannte ihre Nummer. Trotzdem fühlte sie sich wie eine Versagerin.
Sie stieß sich die hübschen Schuhe von den Füßen, warf ihr Kleid auf einen Sessel und zog sich ein paar Jogging-Hosen und ein
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