Sushi Für Anfaenger
zutiefst dankbar - dass Clodagh nicht richtig lesen konnte.
Die Gedichte reimten sich nicht, die Verse waren alle unterschiedlich lang, aber die einzelnen Worte waren die eigentliche Ursache für ihren Kummer. Es gab keine Blumen in Monica Kennedys neuen Gedichten. Stattdessen standen da seltsame raue Begriffe, die Ashling mühsam entzifferte.
Im Schweigen festgenäht, ist mein Blut schwarz.
Ich bin zerbrochenes Glas, Ich bin rostende Klingen, Ich bin die Sühne und das Verbrechen.
Wieder in die Gegenwart zurückkehrend, merkte Ashling, dass Dylan sie besorgt beobachtete. »Alles in Ordnung?«, fragte er.
Sie nickte.
»Ich dachte schon, du wärst in eine andere Sphäre entschwunden.«
»Mit mir ist nichts«, beharrte Ashling. »Clodagh hat nicht zufällig angefangen, Gedichte zu schreiben, oder?« Sie rang sich ein Lächeln ab bei der Frage.
»Clodagh! Allein der Gedanke.« Dylan schmunzelte, als ginge ihm plötzlich auf, wie töricht seine Sorge war. »Du meinst also, wenn sie anfängt, Gedichte zu schreiben, dann sollte ich anfangen, mir Sorgen zu machen?«
»Aber vorher gibt es keinen Anlass. Wahrscheinlich ist sie einfach ein bisschen erschöpft und braucht Ferien. Könnt ihr nicht was Schönes zusammen machen? Du könntest mit ihr in Urlaub fahren und sie aufheitern.« Schon wieder Urlaub , dachte sie zickig. Sie spürte einen Anflug von Unmut, weil Dylan sie fragte, wie er Clodaghs Leben noch schöner machen könnte.
»Vor August kann ich mir nicht frei nehmen«, sagte Dylan.
»Oder geh mit ihr romantisch essen.«
»Clodagh traut den Babysittern nicht.«
»Warum - was machen sie?«
Dylan lachte leicht verlegen. »Sie hat Angst, dass sie die Kinder missbrauchen. Oder sie schlagen. Ehrlich gesagt, ich denke auch manchmal daran.«
»Großer Gott, ständig wird was Neues erfunden, worüber die Menschen sich Sorgen machen können. Sucht euch jemanden, dem ihr vertraut. Zum Beispiel deine Mutter.«
»O nein!« Dylan zog bedauernd die Mundwinkel nach unten. »Das wäre keine sehr gute Idee.«
Ashling nickte. Das stimmte allerdings. Die junge Mrs. Kelly und die nicht mehr ganz so junge Mrs. Kelly waren sich nicht grün, sondern sahen eher rot, wenn es darum ging, wie man sich am besten um Dylan und seine Kinder kümmerte.
»Und Clodaghs Mutter hat schlimme Arthritis«, sagte Dylan. »Sie würde das nicht schaffen mit den Kindern.«
»Ich kann auf die beiden aufpassen, wenn du magst«, bot Ashling an.
»Am Wochenende? Ein wildes, junges Ding wie du?«
Nach einem kurzen Zögern sagte sie: »Ja.« Dann sagte sie, diesmal mit festerer, etwas trotzig klingender Stimme, erneut: »Ja.«
Wenn sie wirklich nicht erreichbar war, würden ihre Chancen steigen, dass Marcus Valentine anrief.
»Das ist ja großartig!« Dylan war neu belebt. »Danke, Ashling, du bist ein Schatz. Ich kümmere mich um einen Tisch für Samstagabend. Vielleicht kriege ich einen im L‘Œuf.«
Warum nicht? dachte Ashling, gegen ihren Willen amüsiert. Wo denn sonst? L‘Œuf war das vornehmste Restaurant in Dublin. Seme herausragende Eigenschaft bestand darin, dass es immer in Mode war - obwohl keine asiatischen Gerichte und keine moderne irische Cuisine auf der Karte standen. Es war jahrein, jahraus der Hit und das Essen war umwerfend. Die Preise allerdings auch.
»Deiner Mammy geht es doch jetzt besser, oder?«, sagte Dylan wie zur Entschuldigung, dass er das Thema angeschnitten hatte.
›Besser‹ war ein relativer Begriff, außerdem ging es nicht immer darum, aber ihm zu Gefallen nickte Ashling und sagte: »Ja, es geht ihr besser.«
»Du bist wirklich ein Schatz, Ashling«, sagte Dylan und verabschiedete sich von ihr.
Das stimmt , dachte Ashling, ich bin ein Schatz.
23
Zehn Minuten Fußweg von Dylan und Ashling entfernt speisten Lisa und Jasper French, der gefeierte Koch, im Ciarence. Jasper hatte sich speziell dieses Lokal als Treffpunkt gewünscht, damit er das Essen als nicht annähernd so gut wie das, was er in seinem nach ihm benannten Restaurant produzierte, herunterputzen konnte. Er war ein gut aussehender und unangenehmer Mensch; zweifellos dachte er, er sei ein Genie, und war eifersüchtig auf alle anderen auf seinem Gebiet. »Amateure«, erklärte er und schwenkte sein sechstes Glas Wein, »alles Amateure und Dilettanten. Marco Pierre White - ein Amateur! Alasdair Little - ein Amateur!«
Herr im Himmel, was für ein Schwachkopf!
Lisa nickte und lächelte. Wie gut, dass schwierige Männer ihre Spezialität
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