Symbiose Herbstgewitter
daß Huang-Ho Feng, ein ehemals gefährlicher Gegner, offiziell um freundschaftliche Hilfe gebeten hat. Das ist ein wichtiger Schritt, Kleiner.«
»Hoffentlich wird man uns auch einmal so freundschaftlich behandeln«, sagte er leise. »Hoffentlich! Ein Telepath muß nicht unbedingt ein Monstrum sein, oder?«
»Bestimmt nicht. Es liegt an ihm selbst, allerdings auch am guten Willen seiner Mitmenschen. Verbohre dich nicht zu sehr in deine inneren Ängste. Du könntest sehr schnell ungerecht wer den. Damit gewinnt man keine Freunde. Die Sache mit Steamers war für mich jedenfalls eine heilsame Lehre. Der Para-Überfall war ein Fehler. Ich hatte mir zuviel angemaßt. Das passiert mir nicht mehr. Nimm dich ebenfalls zusammen.«
Kurz vor der Landung, die Hubtriebwerke donnerten bereits, blendete vor uns ein Bildschirm der bordeigenen Visiphonanlage auf.
Reling erschien.
»Können Sie mich verstehen?« fragte er lautstark. Ich erhob bestätigend die Hand.
»Danke. Eine Kurznachricht, meine Herren. Ich bin soeben von Huang-Ho Feng angerufen worden. Die Sache ist brandeilig. Wissen Sie unter Umständen etwas von sich häufenden Kindesentführungen?«
Ich blickte fassungslos auf den Visiphonschirm.
»Kindesentführungen?« wiederholte ich. »Keine Ahnung, Sir. Was ist jetzt schon wieder geschehen?«
»Da bin ich überfragt. Huangs Außendienste sind einer nahezu abenteuerlich anmutenden Sache auf die Spur gekommen. In Asi en, besonders in den bevölkerungsreichen Gebieten, scheinen seit einiger Zeit Kinder zu verschwinden. Da das überwiegend in Provinzen mit hoher Geburtenzahl geschieht, ist man jetzt erst aufmerksam geworden. Es sind Kleinkinder bis zu sechs Monaten. Sagt Ihnen das überhaupt nichts?«
»Denken Sie etwa an genetische Programme, Sir?« erkundigte ich mich.
»An genau das, mein Lieber! Die Fälle wurden in verschiede nen Provinzen leichtfertig gehandhabt, oder Huang-Ho Feng hätte längst Recherchen angestellt. Der Weg über untergeordnete Behörden im Hoch-Himalaja bis zum Hainan-Hauptquartier der Abwehr scheint hier unendlich lang zu sein. In Ordnung, Konnat, wir reden noch darüber. Ende.«
An Sicherheitsmaßnahmen aller Art waren wir gewöhnt; sogar an überspitzte Absicherungen.
Was hier aber geschah, schlug – um mit Hannibal zu reden – dem Faß den Boden aus!
Jemand, der über die Größe der asiatischen Volksmassen nicht informiert war, hätte geschworen, auf dem Groß-Flughafen der Insel Hainan wären sämtliche Chinesen anwesend, die jemals geboren worden waren.
Der Hafen, die vorgelagerten Straßen und Plätze waren überfüllt. Hier hatte man einige kampfmäßig ausgerüstete Elitedivisionen aufmarschieren lassen.
Die Panzereinheiten waren nicht zu zählen; aber wohin man auch blickte, drohten dunkle Geschützmündungen und Werferrohre.
»Sie wollen nicht mal eine maskierte Maus durchlassen«, hatte Hannibal gesagt. Der Ausspruch war irgendwie treffend. Die illusorische Maus wäre sicherlich nicht bis zu ihrem Schlupfloch gekommen, so streng waren die Sicherheitsvorkehrungen.
Das Besondere an dieser Sache war, daß dieses Aufgebot uns galt.
Wenn Steamers schon einmal der Auffassung gewesen war, die gewünschte Unauffälligkeit könnte man auch mit dem extrem Auffälligen erzielen, so hatte er in Huang-Ho Feng seinen Meister gefunden.
Die Hintergrundpsychologie des Aufmarsches war uns natürlich klar.
Wir kamen nicht als amtlich berufene GWA-Schatten, sondern als »Geheimgefangene« der GWA!
Der seltsame Begriff »Geheimgefangene« war eine neue Relingsche Wortschöpfung, auf die er einigermaßen stolz war. Ich fand sie lächerlich.
Es lief darauf hinaus, Hannibal und mich als die letzten Schü ler und Mitanarchisten Professor Toterlays hinzustellen.
Infolgedessen hatte Huang-Ho Feng ein Fernsehteam der chinesischen Armee auf den Hafen beordert. »Normale« TV-Leute durften selbstverständlich nicht hinein, denn sie waren ja nicht -zigfach vereidigt und hundertfach überprüft. Das mußten dem nach die Armeeberichterstatter übernehmen.
Huang-Ho Feng war auf Relings Vorschläge voll und ganz eingegangen. Er wollte uns »Neos« empfangen und der breiten Öffentlichkeit zeigen, wie vertrauensvoll und freundschaftlich die gefürchtete GWA neuerdings zu handeln bereit war.
Die Überlegung hatte Hand und Fuß, denn welcher Geheimdienst tritt schon gern seine wichtigsten Gefangenen an einen anderen Nachrichtendienst ab; besonders dann, wenn diese Häftlinge noch lange nicht
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