Symphonie der Herzen
Ballettkleid anfertigt. Was haltet Ihr davon?«
»Eine ganz vorzügliche Idee, Euer Hoheit«, pflichtete Edwin ihr bei. »Es wäre mir ein Vergnügen.«
Etwas verlegen senkte Louisa den Blick und starrte stattdessen auf ihren Teller aus feinstem Meißener Porzellan hinab. Zarte Vögel und Schmetterlinge bevölkerten das kostbare Tischgeschirr, und Louisa empfand es geradezu als Sakrileg, als der Diener den Teller kurz darauf mit einer kräftigen Consommé füllte. Lanny will mich noch mal malen, dachte sie glückselig. Und er hat gesagt, dass es ihm ein Vergnügen sei. Ihr Herz begann vor lauter Aufregung geradezu zu rasen, und so schloss sie für einen kurzen Moment die Augen, während sie in Gedanken bereits bei ihrem nächsten Porträt war: Lanny und sie hatten als Hintergrund die kleine Fontäne in der Mitte des Irrgartens ausgewählt, und er war ihr so nahe wie noch niemals zuvor. Langsam neigte er den Kopf zu ihr hinab, schaute sie noch einen Moment lang zärtlich an, und dann küsste er sie, und zwar mitten auf den Mund! Lu wiederum verharrte vollkommen reglos, wie gebannt von der Magie des Augenblicks. Schließlich blickte auch sie kühn zu ihm empor und schaute geradewegs in diese fantastischen blauen Augen -
Im nächsten Moment löste sich Lus romantischer Tagtraum abrupt in Nichts auf, nämlich als Georgy sie unauffällig, doch ziemlich energisch einmal in die Rippen stieß. Erschrocken riss Lu die Augen auf, nur um geradewegs in Lannys Gesicht zu blicken, der sie mit einem vielsagenden Lächeln ansah und ihr einmal kurz zuzwinkerte. Louisa stockte der Atem. Ob er wohl meine Gedanken gelesen hat?, dachte sie bang und schaute verlegen zur Seite.
Derweil hatten die Erwachsenen sich - und zwar noch ehe die
Suppenteller wieder abgetragen wurden und die Dienerschaft das Lamm servierte - einer angeregten Diskussion über die diversen Vorzüge der weiblichen Brust zugewandt. Als ausgebildeter Mediziner schlug Doktor Haiford sich natürlich auf die Seite der Herzogin von Bedford und lobte die Vorzüge des naturgemäßen Stillens gegenüber dem Füttern mit der Flasche, und schon bald schmunzelte der gesamte Tisch über Georginas teils recht gewagte Erläuterungen zu diesem Thema.
»Nicht wahr?«, lachte auch die Herzogin aus vollem Halse. »Wofür die weibliche Brust doch so alles gut ist! Sogar die Konversation beim Abendessen gewinnt durch sie noch an Unterhaltungswert.«
Verstohlen blickte Louisa einmal rasch zu ihrem Vater hinüber, der angesichts dieser frivolen kleinen Scherze offenbar vollkommen vergessen hatte, dass er ja eigentlich noch Georgy für deren Zuspätkommen zurechtweisen wollte. Und zu ihrer großen Erleichterung wandte sich auch die eindeutig zweideutige Unterhaltung der Erwachsenen schon bald dem aktuellen politischen Geschehen im Lande zu, so wie es quasi bereits Tradition war während der Mahlzeiten in Woburn Abbey. Einzig Louisa hatte an diesem Abend so gar kein Ohr für das politische Tagesgeschehen. Stattdessen schwelgte sie in ihren Gefühlen für den jungen Edwin Landseer und schwieg für den gesamten Rest des Dinners. Heute werde ich ganz allein für ihn tanzen, dachte sie verzückt und überlegte sich bereits einige besonders verführerische Pirouetten.
Vor einigen Jahren, als Louisa gerade zwölf Jahre alt gewesen war, hatte man sie noch ermahnt, dass die Tochter eines Herzogs unmöglich auf einer öffentlichen Bühne auftreten könne. Lu war am Boden zerstört gewesen, als sie das hörte, bis ihr plötzlich eingefallen war, dass Woburn Abbey ja glücklicherweise sein ganz privates kleines Theater hatte; sofort hatte sich ihre Stimmung wieder gebessert, und sie hatte sich mit neuem Ehrgeiz ihren Ballettübungen zugewandt. Denn wenn sie auf der Bühne stand oder für eine Aufführung probte, dann hatte sie immer das Gefühl, plötzlich eine ganz andere Person zu sein. Eine deutlich selbstsicherere und charmantere Person, als sie es in Wirklichkeit war. Zudem trug sie dann ja auch noch ein Kostüm, das zusätzlich dazu beitrug, ihre Schüchternheit und ihre Unsicherheit zu kaschieren. Ja, auf der Bühne fühlte Louisa sich eindeutig am wohlsten; dort war sie die, die sie sonst nicht zu sein wagte.
Nach dem Abendessen zogen sich die Damen für gewöhnlich in den Blauen Salon zurück, während die Männer einen Drink zu sich nahmen. An diesem Abend jedoch strömte die Gesellschaft geschlossen in den Theatersaal von Woburn Abbey, wo Louisa wieder einmal eine ihrer
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