Symphonie der Herzen
empfindsam zusammenzuckte. Am Ende aber breitete sich doch ein triumphierendes Lächeln über ihre Lippen. Das war’s in jedem Fall wert!, dachte sie und lachte leise.
Ehe sie zu Bett ging, fügte sie ihrem Tagebuch noch einen kleinen Eintrag hinzu. Eigentlich hatte sie nicht sonderlich viel übrig für diese Tagebuchschreiberei, sodass sie meist nur die wirklich wichtigen Ereignisse in ihrem Leben darin notierte, doch eine kurze Erwähnung ihren geliebten Lanny betreffend musste unbedingt hinein. Sorgsam und in ihrer besten Schönschrift machte sie ihren Eintrag. Als sie fertig war, verschloss sie das Buch wieder mithilfe des winzigen Vorhängeschlosses und des kleinen Schlüssels und stopfte es in die hinterste Ecke ihres Sekretärs. Anschließend verbarg sie auch den Schlüssel noch an einem geheimen Ort. Niemand darf dieses Buch jemals in die Finger bekommen!, dachte sie. Denn was ich dort hineinschreibe, ist nur für meine Augen bestimmt. Es sind die Geheimnisse meines Herzens.
2
William, tut mir leid, aber ich fürchte, ich kann deine Frau nicht ausstehen, dachte Louisa, und das höfliche Lächeln auf ihren Lippen wirkte seltsam starr.
»Niemand würde vermuten, dass du und Georgy - dass ihr beide Schwestern seid!«, staunte derweil Elizabeth Russell ganz ungeniert und schaute die Halbschwester ihres Ehemannes interessiert an. Elizabeth und William hatten die vergangenen Jahre ausschließlich im Ausland gelebt, und so war es kein Wunder, dass seine Frau nun so manches Mitglied seiner Familie plötzlich mit ganz neuen Augen betrachtete. »Ihr beide habt so gar keine Ähnlichkeit miteinander. Ich meine, Georgy ist irgendwie so plump und unscheinbar.«
»Ich finde Georgy bildhübsch«, verteidigte Louisa ihre Schwester in gewohnter Manier. »Außerdem spricht sie nie schlecht über andere Leute.«
»Aber ist sie nicht schon über zwanzig?«, hakte Elizabeth nach. »Zumal sie doch bestimmt auch schon mehr als ein Jahr auf dem Heiratsmarkt ist. Und noch immer hat ihr keiner einen Antrag gemacht? Nun ja ...«
»Georgy ist erst neunzehn«, verbesserte Lu ihre Schwägerin und fügte in Gedanken ein wenig zerknirscht hinzu: zumindest noch für die nächsten vierzehn Tage. »Außerdem hat sie ganz bewusst noch nicht debütiert. Schließlich ist es noch nicht allzu lange her, dass unser verehrter Großvater Gordon verstorben ist, sodass meine Eltern Georgys Einführung in die Gesellschaft um ein Jahr verschoben hatten. Meine Schwester und ich werden in diesem Herbst gemeinsam debütieren.«
»Das ist in der Tat eine kluge Entscheidung von deiner Mutter. Denn wenn ihr beide zusammen auftretet, wird alle Welt nur auf dich schauen - sodass die kleinen Unzulänglichkeiten deiner Schwester dann hoffentlich kaum auffallen.«
Louisa kochte innerlich geradezu vor Wut und hätte ihrer Schwägerin am liebsten einen gehörigen Tritt in deren flachen Hintern versetzt. Doch natürlich bezähmte sie sich und sprach im Stillen ein rasches Stoßgebet, dass Elizabeth möglichst nicht allzu lange bleiben möge. »Ich habe gehört, ihr habt ein Stadthaus in London erworben? Das ist ja hochinteressant!«, wechselte sie das Thema.
»Ja, ganz recht, wir haben uns ein kleines Häuschen direkt am Cavendish Square gekauft. Ein fürchterlich verunstaltetes Gebäude, wenn du mich fragst. Darum konnten wir auch nicht sofort einziehen, sondern bleiben erst noch einmal eine Weile hier in Woburn Abbey, bis alles ordentlich hergerichtet ist. Deine Mutter war im Übrigen so lieb, mir ihre Hilfe anzubieten, was die Auswahl der Möbel und der Innendekoration angeht. Leider hat sich jedoch herausgestellt, dass unsere Geschmäcker ziemlich verschieden sind ...«
»Also, ich finde den Geschmack meiner Mutter einfach fabelhaft. Sie hat ein so feines Gespür für alles, was mit Innendekoration und Mode zu tun hat. Schade, dass ihr beide da offenbar unterschiedlicher Meinung seid.«
Elizabeth und Louisa befanden sich gerade im Frühstücksraum, der unmittelbar zwischen dem Esszimmer mit den Van Dykes und dem Venezianischen Salon gelegen war, und mit weit ausholender Geste deutete Louisa einmal rund um sich. »Sieh dir bloß dieses exquisite Frühstückszimmer an. Die Tapete, zum Beispiel, hat Mutter ganz gezielt im Hinblick auf die alten englischen Meister ausgewählt, die hier hängen. Und in den Bücherschränken stehen die gesammelten Werke von Shakespeare und so ziemlich sämtlicher englischer Poeten, die es je gegeben hat. Und auch das
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